Der Außenseiter
Zweck dieser Übung gewesen?«
Der Triumph über eine neurotische Angst, dachte Jonathan und fragte sich, ob das vielleicht bei allem, was er tat, sein stärkstes Motiv war. Er fühlte sich so wohl wie seit Monaten nicht und konnte nicht verstehen, warum George alles so negativ sah.
»Ich weiß nicht, wie wir weitermachen sollen«, fuhr sie fort. »Wir können natürlich versuchen, mit Priscilla Fletcher zu reden, aber selbst wenn sie bereit ist, sich mit uns zu unterhalten, bringt uns das nicht weiter. Sie kann uns erzählen, ihr Name sei 457
eigentlich Mary Smith, und wir können nicht beweisen, dass sie lügt. Wir haben kein Recht, eine Geburtsurkunde zu verlangen.«
»Was ist mit ihrem Mann? Er weiß doch sicher genauso viel über sie wie Roy Trent.«
George stieß einen Seufzer der Ungeduld aus.
»Und wie kommen wir an ihn heran? Wenn wir einfach hinfahren und anklopfen, macht garantiert Priscilla die Tür auf und schlägt sie uns gleich wieder vor der Nase zu. Ich weiß nichts über ihn, au-
ßer dass er angeblich Buchmacher ist, und selbst das ist nicht sicher.« Sie wies mit dem Kopf zur Tür des Pubs. »Meine Quelle ist Tracey, und die hat es von Jim Longhurst. Ich weiß nicht einmal den Vornamen des Mannes.«
»Also, heute Abend können wir sowieso nichts mehr unternehmen«, sagte Jonathan mit einem Blick auf seine Uhr. »Überschlafen wir das Ganze erst einmal. Ich muss um neun am Bahnhof sein, sonst komme ich vor halb zwei nicht nach Hause.
Wenn Sie mich in Branksome absetzen könnten, nehme ich mir ein Taxi in die Stadt.«
Davon wollte George nichts hören. »Seien Sie nicht albern«, sagte sie, ließ den Motor an und fuhr los. »Andrew wäre stocksauer, wenn Sie das Geld, das er Ihnen geliehen hat, für ein Taxi ausgäben. Ich bin sicher, er wollte, dass Sie sich davon etwas Ordentliches zu essen kaufen.«
»Wahrscheinlich.«
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»Dann kaufen Sie sich im Zug wenigstens ein Sandwich, und fangen Sie endlich an, für sich selbst zu sorgen.«
Er hörte ihr nicht zu. »Was ist mit William Burton?«, meinte er. »Der wäre doch einen zweiten Versuch wert, insbesondere wenn wir ihn überreden können, mit uns zur Polizei zu gehen und die Namen der Jungen zu nennen, die Cill damals vergewaltigt haben. Lovatt könnte das nicht einfach ignorieren, schon gar nicht, wenn wir ihm unsere beiden Fotos vorlegen. Er hätte gar keine andere Wahl, als mit Priscilla Fletcher zu sprechen – und ebenso mit Roy Trent, wenn der einer der drei ist, die Burton beschuldigt.« Georges Stimmung hellte sich sofort auf. »Glauben Sie, er wäre dazu bereit?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete George, »aber es ist auf jeden Fall einen Versuch wert.«
Im Geist ging er die Möglichkeiten durch.
»Außerdem müssen wir die Trevelyans ausfindig machen. Wenn sie mit Cills Verschwinden nichts zu tun hatten, werden sie zusätzlichen Druck machen. Ich muss mir das Band anhören. Ich habe den Verdacht, dass Roy uns wesentlich mehr gesagt hat, als Sie glauben – es geht nur darum, das herauszufiltern, was wichtig ist.«
»Haben Sie alles drauf?«
»Ich hoffe es.« Er nahm einen Recorder aus seiner Tasche und spulte ein Stück zurück, bevor er das 459
Band ablaufen ließ. Roy Trents höhnische Stimme klang in die Stille des Autos. »… Sie werden sich nur blamieren. Sie haben überhaupt nichts in der Hand, wenn Priscilla beweisen kann, dass sie nicht Cill Trevelyan ist …« Jonathan schaltete das Gerät aus. »Das ist das Erste, was überschlafen werden muss«, brummte er.
»Sie glauben, er lügt?«
»Nein«, antwortete Jonathan mit Bedauern.
Prompt stellte sich bei George wieder Mutlosigkeit ein. »Ich auch nicht.«
»Und?«
»Und damit ist es überflüssig, nach Cills Eltern zu suchen.«
»Falsch«, sagte Jonathan liebevoll. »Es ist umso wichtiger. Wie wäre Ihnen zumute, wenn irgendeine Fremde sich als Ihre Tochter ausgäbe? Sie würden doch wissen wollen, warum sie das tut, oder nicht?«
George sah ihn verblüfft an. »Tut sie das denn?«
»Nun, es ist ebenso gut vorstellbar wie eine Übertragung – das eine geschieht bewusst, das andere unbewusst … Man kann fragen: Ist es Verrücktheit oder hat die Verrücktheit Methode?«
George war skeptisch. »Und wozu das Ganze?«
»Die Maskerade? Vielleicht zieht sie eine Anna Anderson ab – gibt sich als Großherzogin Anastasia aus, um das Romanow-Erbe für sich zu beanspru-chen. Cill war ein Einzelkind, vergessen Sie das nicht, vielleicht gibt es da etwas
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