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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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einem rosaroten Strohhut wieder herauskam. »Den habe ich mir damals zur Hochzeit der Tochter einer Freundin gekauft«, erklärte sie. »Reine Geldverschwendung. Zwei Jahre später waren die beiden schon wieder geschieden.
    Hier!« Sie drückte ihm eine Schirmmütze auf den Kopf. »Das ist die Briefträgermütze von meinem Vater. Sie hält wenigstens die Sonne vom Gesicht ab.«
    Jonathan drehte die Mütze, so dass der Schirm seinen Nacken schützte. »Das Schlimme ist, wenn das Gehirn zu kochen anfängt. Das Gesicht ist für solches Wetter gemacht.«
    Sie setzte sich kichernd. »Sie sehen aus, als hätten Sie einen Stieltopf auf.«
    Er musterte sie erheitert. »Und Sie sehen ein-569

    fach großartig aus, George. Ich habe immer schon gefunden, dass Rot und Rosarot die ideale Kombination sind.«
    Sie kicherte wieder. »Ja, einmalig grässlich, nicht wahr? So eine elende Verkäuferin hat mir eingeredet, der Hut stünde mir, und ich habe es ihr geglaubt!« Sie klopfte kurz auf den Tisch. »Ich habe eine Frage an Sie. Sie ist mir eingefallen, als ich oben war. Warum hat Grace den Mädchen erlaubt, sich in ihrem Haus zu verstecken, wenn sie die Schule schwänzten? Diesen Unsinn von den blauen Flecken, den Louise Andrew erzählt hat, glaube ich nun wirklich nicht. Grace war eine gestandene Frau. Wenn sie sich um die Mädchen gesorgt hätte, hätte sie den Kinderschutzbund angerufen oder das Jugendamt oder die Schule, vielleicht sogar die Polizei. Sie hätte es anonym tun können. Warum also hat sie es nicht getan?«
    »Aus demselben Grund, aus dem sie Howard ge-
    schützt hat.«
    »Und was für ein Grund war das?«
    »Er tat ihr Leid.«
    George überlegte einen Moment. »Jede normale Großmutter hätte sämtliche Hebel in Bewegung gesetzt, um ihm zu helfen, vor allem als er noch jünger war.«
    »Vielleicht gab es keine Hilfe.«
    George ignorierte den Einwurf. »Der einzige Mensch, der etwas für ihn getan hat, war Wynne.
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    Sie hat vielleicht nicht viel zustande gebracht, aber sie hat es wenigstens versucht. Sie zerrte ihn in die Schule, ob er wollte oder nicht, sie zwang ihn not-falls mit Schlägen, dort zu bleiben, ging jeden Tag zur Arbeit, um Essen kaufen zu können, und machte zwei Tage krank, um ihm bei der Arbeitssuche zu helfen.« Sie zog die Augenbrauen hoch. »Finden Sie es nicht interessant, dass er nach Ablauf der zweitägigen Arbeitssuche schnurstracks wieder zu Grace gerannt ist?«
    »Nein, wieso? Das hat er doch immer getan.«
    George nickte. »Eben.«
    »Und?«
    »Grace hat Wynnes Bemühungen immer wieder sabotiert. Jedes Mal wenn Wynne ihren Sohn halbwegs auf Spur gebracht hatte, lockte Grace ihn wieder weg.«
    »Sie brauchte bestimmt gar nicht zu locken. Er war einfach lieber bei ihr.«
    »Dann hätte sie es ihm verleiden sollen. Ich kann jetzt verstehen, warum Wynne kaum Kontakt mit ihr hatte. Sie haben wahrscheinlich die ganze Zeit wegen Howard gestritten. Grace hat ihm ja syste-matisch alle Chancen kaputtgemacht. Ich jedenfalls wäre meiner Mutter gründlich in die Parade gefahren, wenn sie meinen Sohn davon abgehalten hätte, zur Schule zu gehen.« Sie lächelte über Jonathans Skepsis. »Na hören Sie mal! Versuchen Sie wenigstens, objektiv zu sein. Mit Louise und Cill hat sie 571

    genau das Gleiche gemacht – sie hat sie gegen den Willen ihrer Eltern im Schuleschwänzen bestärkt.
    Aber keiner von uns tut etwas freiwillig, wenn dabei nicht etwas für ihn herausspringt. Grace führte ein Einsiedlerleben. Sie ging kaum aus, hatte keine Arbeit, sah ihre Tochter nur selten, pflegte keinen Umgang mit ihren Nachbarn, weil man sie schlecht verstand. Was sagt Ihnen das?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Sie war schwierig?
    Unsympathisch? Realitätsfremd?«
    »Wahrscheinlich alles miteinander – aber warum hielten sich die Kinder gern bei ihr auf?«
    »Sie ließ sie fernsehen.«
    Neuerliches demonstratives Nicken. »Richtig. Und warum tat sie das?«
    Jonathan schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.«
    »Sie war einsam , Jon. Ich wette, Louise hätte bei ihr im Haus eine Riesenfete steigen lassen können, und sie hätte noch die Plätzchen gebacken.«
    Er ließ seinen Blick nachdenklich durch den Garten schweifen und kam auf einen anderen Punkt zurück. »Howard hätte an dem besagten Mittwoch-nachmittag bei einer Molkerei anfangen sollen«, murmelte er. »Vielleicht hatte er vor, das auch zu tun, bis er auf seine tote Großmutter stieß.«
    »Aber warum ist er überhaupt zu ihr gegangen?«
    »Um

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