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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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darauf angelegt hatte, ihn von neuem zu beleidigen, packte die dargebotene Hand mit fes-tem Griff und drückte die Mittelhandknochen mit aller Kraft zusammen. »Wenn Sie auch meine annehmen.«
    Ärger flackerte kurz in den Augen des Mannes auf, aber er antwortete höflich: »Okay. Wofür wollen Sie sich denn entschuldigen?«
    »Dafür, dass ich alle Weißen über einen Kamm schere«, entgegnete Jonathan. »Das ist eine schlechte Angewohnheit von mir. Aber für mich sehen Sie eben alle gleich aus.«
    »Nur weiter, ich halt das schon aus. Wann kommt die Pointe?«
    »Die Deutschen sind gebildet, die Franzosen gut angezogen, die Iren begabt und die Amerikaner höflich.« Er zuckte mit den Schultern. »Da die Briten 122

    nichts von alldem sind, mache ich unweigerlich Fehler, wenn ich mit ihnen zu tun habe.« Er zog seinen Regenmantel aus und hängte ihn an einen Haken neben der Tür, bevor er sein Jackett glatt strich. Er hoffte, die glänzenden Stellen an den Ellbogen würden nicht auffallen. »Ich entschuldige mich für den Anzug. Ich habe mich für das Gespräch hier so in Schale geworfen« – er spürte, dass George hinter ihm unbehaglich von einem Fuß auf den anderen trat –, »aber mir hätte klar sein müssen, wie unangebracht das war. Würde Ihr Pub Zur Tränke heißen, wäre es natürlich überhaupt kein Problem gewesen, die passende Kleidung zu wählen – ich hätte gewusst, was ich zu erwarten habe –, aber der Namen Crown and Feathers ließ zumindest ein gewisses Niveau erwarten.«
    Es folgte eine lange Pause, während der Roy Trent nachdenklich seine zur Faust geballte Hand kne-tete. »Nur zu Ihrer Information, damit Ihnen so ein Irrtum nicht noch mal passiert, Meister – bei Pubs kann man nicht nach dem Namen gehen. Die Tränke könnte die beste Wirtschaft sein, die Ihnen je untergekommen ist.«
    Jonathan lächelte dünn. »Danke für die Aufklä-rung«, murmelte er. »Als Schwarzer und Ausländer hat man doch große Mühe, die Eigenheiten der englischen Namensgebung zu verstehen.«
    Roy Trent schob aggressiv das Kinn vor. »Unsere guten Eigenschaften haben Sie unterschlagen. Wir 123

    nehmen das Leben nicht so ernst wie die Deutschen … wir beschweren uns nicht dauernd wie die Franzosen … wir wandern nicht beim kleinsten Anlass aus wie die Iren … und wir beten nicht das Geld an wie die Amerikaner.« Er zog seinen alten Pullover über seinen Bierbauch. »Dass wir uns schlecht kleiden, muss ich allerdings zugeben.
    Und welche Nationalität haben Sie?«
    »Ich bin Brite wie Sie, Mr. Trent.«
    »Nur dass ich Engländer bin.«
    Das Zimmer war klein, mit einem Tisch, der für zwei gedeckt war, und zwei Ledersesseln zu beiden Seiten des Feuers. Jonathan forderte George mit einer Handbewegung auf, sich zu setzen. »Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen?«
    Sie kreuzte die Arme über der Brust. »Nein, danke. Ich lass ihn lieber an.«
    Es hätte ihn interessiert, was sie darunter trug.
    Einen Schlafanzug? Gewundert hätte es ihn nicht.
    Nichts hätte ihn an diesem Tag gewundert. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich setze?«
    »Aber nein. Bitte!«
    Er schlug ein elegant gekleidetes Bein über das andere und setzte seine Brille auf. »Wenn es Sie interessiert, woher ich ursprünglich komme, sage ich es Ihnen gern, Mr. Trent. Mein Vater ist Iraner, und die Familie meiner Mutter stammt aus Nordafrika. Den englischen Namen habe ich meinem Großvater väterlicherseits zu verdanken, 124

    der Robert Hughes hieß, und Brite bin ich, weil ich hier geboren bin und einen britischen Pass habe. Ich habe eine Londoner Gesamtschule besucht, ein Stipendium für Oxford erhalten und beschäftige mich jetzt an der Universität London mit europäischer Anthropologie. Ich spreche fließend Englisch, Französisch und Farsi und kann mich in Deutsch und Spanisch verständigen.« Er legte die Fingerspitzen beider Hände unter seinem Kinn aneinander. »Und woher stammen Sie? Ich würde sagen, in Ihren Adern fließt eine ganze Menge wa-lisisches Blut.«
    »Überhaupt keines«, widersprach Trent argwöhnisch. »Meine Eltern kommen beide aus Dorset.«
    »Interessant. Trotzdem schlägt Ihr keltisches Erbe so stark durch.«
    »Woran sehen Sie denn das?«
    »Körperbau, Statur, Augenfarbe, Gesichtstyp. Ein echter Engländer hätte angelsächsische Merkmale.
    Er wäre größer, mit hellerer Haut und hellerem Haar, blauen oder grauen Augen und einem zier-licheren Knochenbau. Sie haben kräftige keltische Züge – drahtiges dunkles Haar

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