Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
Vom Netzwerk:
Decken gewickelt zitternd zu Hause herum, weil sie eine Erhöhung ihrer Heizungsrechnung vermeiden wollen. Das sind Rentner wie Jim.«
    Jonathan hätte sagen können, dass Bournemouth für ihn rapide an Attraktivität verliere, aber er zögerte, als sie Howard Stamp erwähnte, und sie bemerkte das Interesse in seinem Gesicht.
    »Wunderbar!«, rief sie und klatschte in die Hände wie eine Wiedergeborene Christin. »Steigen Sie ein.«
    Beinahe hätte er an dieser Stelle die ganze Sache gelassen. »Ich gehe lieber zu Fuß, danke.«
    »Ach, kommen Sie«, sagte sie und schob ihn schon um den Wagen herum zur anderen Seite.
    »Ich kann den Wagen ja hier schlecht stehen lassen, 118

    weil Roy mir die Batterie aufladen muss. Vergessen Sie, was der Fahrer vorhin gesagt hat. Ich habe Augen wie ein Luchs und fahre seit Ewigkeiten. Es kommt nur höchst selten vor, dass ich auf der falschen Straßenseite herumgondele.«
    Sie schien das Wort »nein« nicht zu verstehen.
    Resigniert zwängte er sich in den kleinen Wagen.
    Es war eng vorn, aber sie erklärte, sie könne den Sitz leider nicht verschieben, da der Mini ihr als rollender Aktenschrank diene und nach hinten kein Platz mehr sei. Jonathan musste die Knie so weit anziehen, dass sie ihm beinahe ans Kinn stießen. Er lächelte säuerlich. Ein Glück nur, dass seine Studenten ihn nicht sehen konnten. So etwas Chaotisches war nicht Dr. Hughes’ Stil. Auf der Fahrt zum Pub schnatterte George ohne Pause, parkte den Wagen in einem Hinterhof, half ihm dann fürsorglich beim etwas mühsamen Aussteigen und führte ihn sogleich nach oben, in den Privatraum, wo er die Entschuldigungen des Wirts über sich ergehen lassen musste.
    Es lief nicht so gut, wie sie gehofft hatte. Roy Trent war keiner, der so schnell klein beigab, und Jonathan, der insgeheim eine Wut auf alle Weißen hatte, war prompt von neuem gekränkt, als man ihn einen Schwarzen hieß. Trotz seiner dunklen Haut sah er sich niemals als Schwarzen, sondern nur als Araber. Sein Ärger wuchs, als George ihn vorwärts schob und ihm dabei eine große Plastiktüte in den 119

    Rücken rammte, die sie vom Rücksitz des Wagens mitgenommen hatte. Sie sah aus wie eine Pennerin, der Wirt – der Koch! – sah aus, als hätte er sich seit Wochen die Hände nicht mehr gewaschen, und der pingelige Jonathan schreckte innerlich zurück bei der Vorstellung, sich mit diesen beiden an einen Tisch zu setzen.
    »Den Rassismus könnte ich wahrscheinlich hin-nehmen … Ich billige ihn nicht, aber ich denke, ich verstehe die Geschichte dahinter. Was ich hasse, ist der Snobismus. Du hast so einen fürchterlichen in-tellektuellen Dünkel, Jon. Du bildest dir ein, was Besseres zu sein … aber intelligente Menschen legen es gerade nicht darauf an, jeden, der ihnen über den Weg läuft, von oben herab zu behandeln …«
    120

    4
    Drinnen beäugten die Männer einander wie zwei Gorillamännchen, die sich zum Kampf um ein ge-schlechtsreifes Weibchen rüsten. Roy Trent, der im Nachteil war, weil er auf Knien vor dem offenen Kamin lag, um das Feuer in Gang zu bringen, oder aber weil er den dicken kleinen Gartenzwerg hinter Jonathan wirklich gern hatte, kapitulierte zuerst.
    »Hören Sie, Mann, es tut mir echt Leid«, sagte er, während er Kohle in den Kamin schaufelte. »Aber schauen Sie, da seh ich diesen großen schwarzen Typen, der den alten Jim am Arm gepackt hält und ihn anschaut, als würde er ihn gleich fressen, da hab ich natürlich gedacht, Scheiße, Mann, der kommt daher wie Graf Koks und redet wie Lawrence Olivier persönlich! Ich mein, das ist doch nicht normal, oder? Wir wissen alle, dass Jim ein alter Miesmacher ist, aber wir hören halt weg und lassen ihn quasseln. Eigentlich ist es Georges Schuld. Sie hat mir nur gesagt, dass ein Autor kommt – irgendeiner, der was über den armen alten Howard geschrieben hat –, und ich hab eben einen mickrigen kleinen Typen im Anorak 121

    erwartet. Ich mein, Howard ist ja nicht gerade der Riesenknüller, oder?« Er warf einen taxierenden Blick auf Jonathan. »Der Haken ist einfach, dass Sie keinen ausländischen Namen haben. Ich mein, Jonathan Hughes – englischer könnt’s ja wohl kaum sein. Wenn Sie jetzt Mohammed oder Ali heißen würden, hätt’s nie ein Problem gegeben.« Er richtete sich auf und wischte sich die kohleschwarzen Hände an seiner Hose ab. »Also, Entschuldigung angenommen?«, fragte er und streckte Jonathan die rechte Hand hin.
    Jonathan, dem klar war, dass der andere es bewusst

Weitere Kostenlose Bücher