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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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und braune Augen –und sind von der Konstitution her eher endomorph.
    Deshalb bezeichneten die Nordmänner die Waliser als Trolle, weil sie klein und dunkel waren, mit behaarten Körpern und dicken Bäuchen.« Er sah kurz zu George hinüber, als die tadelnd leise mit der Zunge schnalzte. »Ich würde sagen, dass Sie 125

    mindestens zu fünfundsiebzig Prozent Waliser sind, Mr. Trent.«
    »Blödsinn«, sagte Roy Trent verärgert. »Man kann einen Engländer nicht nur am Aussehen erkennen.
    Ich bin dick, weil ich zu viel esse. Deswegen bin ich noch lange kein verdammter Waliser.«
    Jonathan hob wie entschuldigend die Hände.
    »Tut mir Leid. Ich wusste nicht, dass eine walisi-sche Abstammung so ein Problem für Sie ist. Das ist ein weiteres Gebiet der englischen Psyche, das mir bisher verschlossen geblieben ist. Ich dachte, Sie mögen die Schotten und die Iren nicht.«
    »Ich bin kein Waliser.«
    George wedelte nervös mit der Hand. »Er neckt Sie doch nur, Roy. Die Angeln und die Sachsen waren germanische Stämme, die im vierten Jahrhundert in England einfielen – zur gleichen Zeit wie die Juten und die Wikinger. Die Juten waren Dänen, die Wikinger Norweger. Davor wurden wir von den Römern erobert – die Italiener waren –, und sieben Jahrhunderte später kamen wir unter die Herrschaft der Normannen, die Franzosen waren.« Sie sah Jonathan mit flehen-dem Blick an. »Das mit dem endomorphen Typ war doch nur Spaß – ich bin einer, Sie sind einer –, ein Iraner könnte auch einer sein. Es hat mit der Staatsangehörigkeit so wenig zu tun wie mit der Hautfarbe. Und Staatsangehörigkeit lässt sich ändern, Roy – sie ist doch keine Frage der Geburt.«
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    »Für mich schon«, entgegnete er starrköpfig. »Ich bin hier geboren. Ich bin kein Asylbewerber, der nach was Besserem sucht.«
    George zuckte resigniert mit den Schultern, dieser Fremdenhass schien ihr nicht neu zu sein. »Dann geben Sie wenigstens zu, dass die Migration aus wirtschaftlichen Gründen von den Weißen erfunden wurde, Roy. Jeder, der nach Amerika gegangen ist, war auf der Suche nach einem besseren Leben.«
    Der Mund des Mannes wurde noch verkniffener.
    Jonathan hätte ihm am liebsten gesagt, dass sie beide derselben Menschenrasse angehörten, der weißen
    – den nichtnegroiden Völkern Europas, des Nahen Ostens, Nordafrikas und Westasiens, einschließlich der Waliser –, aber das hätte der Mann nur als Beleidigung aufgefasst. Also erbarmte er sich lieber Georges, die offensichtlich Blut und Wasser schwitzte, und bot dem Mann die Hand. »Schwamm drüber, ja? Ich weiß, dass ich seit gestern Abend ziemlich schlecht gelaunt bin. Ich kam aus New York zurück und wurde von einem Beamten der Einwanderungsbehörde durch die Mangel gedreht.
    Er fragte mich nach meiner Meinung über Osama bin Laden. Als ich ihm die Antwort verweigerte, ließ er mich eine Stunde warten, während er meinen Pass auf seine Echtheit prüfte.«
    Roy Trent nahm den Ölzweig an. »Warum haben
    Sie ihm keine Antwort gegeben?«
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    »Weil es nur eine Antwort gibt. Vor einem Mann von der Einwanderungsbehörde würden doch nicht mal bin Ladens fanatischste Anhänger zugeben, auf wessen Seite sie stehen.«
    Das fand Roy Trent einleuchtend. »Hat er die Weißen das auch gefragt?«
    »Was meinen Sie wohl?«
    »Nein.«
    Jonathan nickte. »Man lernt, damit zu leben, Mr. Trent. In Zeiten wie den heutigen, wo die Leute Angst haben, gerät man immer in Verdacht, wenn man nicht ins Bild passt. Es ist deprimierend. Den Iren in England ist es jedes Mal so ergangen, wenn eine IRA-Bombe explodierte. Es ist Howard Stamp so ergangen, als die Leute glaubten, in Highdown triebe sich ein Mörder vom Schlage Mansons herum.«
    Doch auf die Erwähnung Howard Stamps trat sofort eine Abkühlung ein. Roy Trent sah auf seine Uhr. »Ich schau mal lieber wieder nach unten.
    Kann ich Ihnen was zu trinken bringen? Dürfen Sie Alkohol trinken? George hat einen Gevrey-Chambertin zum Eintopf vorgeschlagen, aber vielleicht hätten Sie lieber was andres? Ich möchte auf keinen Fall Ihren Glauben verletzen oder so was.«
    »Ich bin Atheist«, sagte Jonathan. »Der Gevrey-Chambertin klingt gut. Danke.«
    »Bin gleich wieder da.« Im Vorübergehen tätschelte er George den Arm. »Wenn Sie nicht bald den 128

    Mantel da ausziehen, junge Frau«, brummte er so laut, dass es nicht zu überhören war, »kriegen Sie mir noch ’nen Hitzschlag … und die Mütze sieht auch nicht toll aus, glauben Sie mir. Wenn der

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