Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
Vom Netzwerk:
drohend erhobenem Finger über Frauen am Steuer sagte, war nicht zu hören, aber dennoch unmissverständlich, und nichts davon war schmeichelhaft. Am allerwenigsten konnte er dicke Frauen am Steuer ausstehen. Er schüttelte einmal kurz die Faust, dann stieß er ein Stück zurück und fuhr vorbei.
    Jonathan schaute durch das Fenster des Mini.
    »Sie sollten lieber auf die andere Seite hinüberfah-ren, bevor noch einer kommt«, sagte er. »Ich warte hier.«
    Sie war hochrot im Gesicht und zitterte, aber sie tat, was er ihr geraten hatte. »Mein Gott, war das blöd von mir«, sagte sie, als sie die Tür öffnete und ausstieg. »Es tut mir wirklich Leid. Was müssen Sie von mir denken!« Sie war in einen gestepp-ten roten Daunenmantel eingepackt, dazu trug sie Gummistiefel und eine lindgrüne Wollmütze, die wie ein römischer Helm auf ihrem Kopf saß. Das Ensemble schmeichelte weder ihrer Figur noch ihrem Teint. Sie sah aus wie ein vierschrötiger Gartenzwerg, und Jonathan fragte sich, ob sie je in einen Spiegel sah. Er schätzte sie auf ungefähr sechzig Jahre.
    »Was wollen Sie?«, fragte er.
    115

    »Ich bin George Gardener.« Sie bot ihm die Hand, und er ergriff sie widerstrebend. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie peinlich mir das alles ist. Wie Roy und Jim sich Ihnen gegenüber benommen haben – ich könnte die beiden umbringen. Ich werde Jim nicht in Schutz nehmen – er tritt allen Leuten auf die Zehen –, aber Roy dachte, Sie wären ein Crack- und Kokaindealer.« Sie zog ein bedauern-des Gesicht. »Die Polizei warnt uns dauernd vor Londoner Banden, die hier hereindrängen, und er dachte, Sie gehören zu so einer.«
    »Soll mir das ein Trost sein?«
    Sie wurde wieder rot. »Ich wollte Ihnen nur erklären, warum er so grob zu Ihnen war.«
    »Ich dachte, Crack- und Kokaindealer wären Jamaikaner. Sehe ich aus wie ein Jamaikaner?«
    »Nein, aber … na ja, Sie haben einen sehr englischen Namen und sehen nicht wie ein Engländer aus«, sagte sie hastig.
    Jonathan war unversöhnlich. »Und Sie haben einen Männernamen, Mrs. Gardener, aber ich habe keine Frauen beleidigt, weil ich einen Mann erwartete. Vermutet Ihr Freund auch hinter jedem Weißen, der sein Lokal betritt, einen Drogen-dealer?«, fragte er zynisch.
    Sie zögerte, unsicher, ob es klug war, darauf zu antworten.
    »Wenn Sie nichts dagegen haben, dass ich ihn zitiere – ja, wenn es ein geschniegelter Kerl in einem 116

    teuren Anzug ist – und wenn die Polizei ihm gesagt hätte, dass es weiße Banden sind. Solche Leute kommen ihm nicht in sein Pub.« Sie rang die Hände. »Bitte, seien Sie doch jetzt nicht gekränkt.
    Das war kein Rassismus bei Roy, er wollte Ihnen nur erklären, warum er Sie nicht erkannt hatte.
    Er bemüht sich sehr, Drogen aus seinem Pub her-auszuhalten. Darum kommen auch fast nur ältere Leute zu ihm, und er verdient schlecht. Das Pub ist nicht in. Die Jugend geht woanders hin.«
    Das konnte Jonathan gut verstehen. Er selbst hätte sich nicht um viel Geld ins Crown and Feathers gesetzt. Aber er wunderte sich über ihre Naivität und war versucht, das Gespräch von seinem Standpunkt aus wiederzugeben. Für ihn gab es keinen Zweifel, dass Roy ein Rassist der übels-ten Sorte war, aber es hatte wenig Sinn, darüber zu streiten. »Na gut«, sagte er mit einem kurzen Nicken, »ich bin nicht gekränkt.«
    »Dann kommen Sie mit?«, fragte sie eifrig.
    »Nein. Ich friere, Mrs. Gardener, und Bier und belegte Brote sind nicht meine Sache. Ich suche mir lieber ein anderes Lokal.«
    Sie seufzte. » Miss Gardener, aber das kann ich nicht ausstehen. Mir wär’s lieber, Sie nennen mich George.«
    Es überraschte ihn nicht. Kein Mann hätte diese bierernste Provinztrine mit dem fürchterlichen Geschmack und der unmöglichen Figur gewollt.
    117

    »Roy hat extra einen Eintopf gemacht«, sagte sie.
    »Er ist ein guter Koch – wirklich! – und er gibt uns einen seiner Privaträume. Mit offenem Kamin und einem Feuer. Ich habe das Crown and Feathers nur ausgesucht, weil Roy Howard Stamp gekannt hat.«
    Sie legte ihm bittend die Hand auf den Arm. »Es ist alles nur schief gelaufen, weil mein Wagen nicht angesprungen ist. Wegen der Kälte. Ich hätte gestern Abend Zeitungspapier unter die Motorhaube legen sollen, aber ich habe ja nicht gedacht, dass es friert. Sie werden schon sehen: Der Statistik zufolge werden sich bis heute Abend mindestens zwei Leute aus meinem Wahlkreis die Hüfte gebrochen haben und fünfzig Prozent der restlichen hocken in

Weitere Kostenlose Bücher