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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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umgezogen, weil sie ständig Angst hatte – erst die Vergewaltigung, dann verschwand Cill spurlos, dann die Fragen der Polizei. Meine Eltern steckten sie in eine andere Schule, weil sie nicht wollten, dass sie dauernd an alles erinnert wird.«
    »Hätte sie es Ihren Eltern denn gesagt, wenn sie vergewaltigt worden wäre? Cill hat es ja nicht gesagt.«
    »Das war auch eine andere Zeit. Heute laufen ja schon die kleinen Mädchen in bauchfreien Tops rum. Hätten sie das damals getan, hätten sie als Flittchen gegolten. Cills Vater ist jedes Mal ausgerastet, wenn er sie in einem Minirock gesehen hat.«
    »Und Ihre Eltern?«
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    »Genauso.« Wieder ein Schulterzucken. »Ich bin übrigens auch nicht anders. Ich würde meine Mädchen niemals halb nackt rumlaufen lassen – das ist doch die reinste Einladung an den nächstbesten Perversen.«
    »Dann kann es sein, dass auch Louise vergewaltigt wurde, es aber niemals zugegeben hat?«, meinte George.
    »Sie wurde nicht vergewaltigt«, widersprach er schroff. »Und sie ist auch nicht nach einer Vergewaltigung schwanger geworden … darauf wollten Sie doch hinaus, nicht?« Sein Blick wurde plötzlich hart. »Hören Sie, es hat damals genug gemeinen Klatsch gegeben. Es bringt keinem von uns was, wenn das alles wieder aufgewärmt wird.«
    George senkte ihre Hand. »Entschuldigen Sie. Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Es ist nur …« Sie brach seufzend ab. »Sagt Ihnen der Name Priscilla Fletcher etwas?«
    »Nein.«
    Sie dachte, er würde ihr die Tür vor der Nase zuschlagen, aber er tat es nicht. Er wartete. »Priscilla lebt in Sandbanks«, fuhr sie fort. »Sie ist Mitte vierzig und sieht aus wie eine ältere Version von Cill Trevelyan. Sie war einmal mit Roy Trent verheiratet und hat einen Sohn mit ihm, der zur Welt kam, als sie noch keine zwanzig war. Damals nannte sie sich Cill. Wissen Sie, ob Ihre Schwester Roy Trent als einen der Vergewaltiger nannte?«
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    Er wich der Frage aus. »Eben haben Sie noch vermutet, diese Frau wäre Lou, jetzt sagen Sie, dass sie Cill Trevelyan ist. Wer ist sie denn nun?«
    »Das weiß ich eben nicht, Mr. Burton. Ich möchte es aber gern herausfinden.« Sie schlug die oberste Seite auf dem Klemmbrett um und hielt es ihm hin. »Diese Aufnahme ist vor fünf Jahren gemacht worden. Erkennen Sie sie?«
    Sein Gesicht verriet nichts. »Nein.«
    »Erinnert die Frau Sie an Cill Trevelyan?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich kann mich kaum an sie erinnern. Ich war zehn Jahre alt, als sie verschwand.«
    George blätterte eine Seite weiter. »Das ist das Bild von ihr, das die Zeitungen brachten.«
    Er starrte es mehrere Sekunden lang in stummer Betroffenheit an. »Gott! Sie ist so jung !«
    »Sie war erst dreizehn, Mr. Burton. Noch ein Kind.«
    »Ja, aber … In meiner Erinnerung war sie ein großes Mädchen, fast erwachsen. Mein Gott«, sagte er wieder, nahm George das Brett aus der Hand und blickte unverwandt auf das Foto. »Sie wirkt so kindlich. Meine beiden sahen mit dreizehn älter aus.« Abrupt blätterte er zurück zu der Fotografie von Priscilla Fletcher. »Vielleicht sollten Sie mit den Trevelyans reden … ihnen die Möglichkeit geben, mit dieser Frau zu sprechen. Soviel ich weiß, haben sie bisher nie jemanden gefunden, 284

    der so eine starke Ähnlichkeit mit ihrer Tochter hatte.«
    »Haben Sie eine Adresse oder Telefonnummer?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich glaube, ich habe die Geschäftskarte der letzten Detektei aufgehoben, die nach ihr gesucht hat. Die müssten Ihnen weiterhelfen können.« Er schaute auf seine Uhr. »Ich kann jetzt nicht nachschauen – ich muss gleich zur Arbeit –, aber wenn Sie mir sagen, wie ich Sie erreichen kann, melde ich mich morgen bei Ihnen.«
    George nahm das Klemmbrett wieder an sich und schrieb ihren Namen und ihre Telefonnummer auf die Rückseite der Kopie aus dem Wählerverzeichnis.
    »Wie kommt es, dass Sie Cill als fast erwachsen in Erinnerung haben?«, fragte sie neugierig, als sie ihm das Blatt Papier reichte.
    »Sie war ein bisschen billig – und sie machte gern anzügliche Bemerkungen. Deswegen haben die sie auch vergewaltigt.«
    »Woher wissen Sie das?«
    Sein Gesicht verschloss sich augenblicklich. »Reine Vermutung«, antwortete er, bevor er ihr kurz zu-nickte und die Haustür schloss.
    George hätte darauf gewettet, dass er allen weiteren Kontakt mit ihr meiden würde, aber zu ihrer Überraschung rief er schon am folgenden Morgen an, um ihr Namen und Adresse einer Detektei

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