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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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höchstens Mitte vierzig. »Mr.
    Burton?«
    »Ja.« Er war groß gewachsen und breitschult-rig mit kräftigen tätowierten Armen unter den aufgerollten Hemdsärmeln. Das Dröhnen eines Fernsehgeräts, das irgendwo hinter ihm den Gang hinunter mit voller Lautstärke lief, wurde noch übertönt von streitenden Mädchenstimmen. Er wischte sich die Hände an einem Handtuch ab und 275

    lächelte fragend. »Entschuldigen Sie den Krach.
    Was kann ich für Sie tun?«
    George schnitt eine ihrer Grimassen. »Wenn sie gerade dabei sind, sich gegenseitig umzubringen, kann ich auch später wiederkommen.«
    Er lauschte einen Moment. »Nn-nnn. Heute Abend geht’s relativ gesittet zu. So richtig fliegen die Fetzen nur, wenn die eine der anderen drauf-kommt, dass sie was von ihren Klamotten genommen hat.«
    »Ihre Töchter?«
    Er nickte. »Eineiige Zwillinge mit feurigen Haaren und feurigem Temperament.« Er lachte. »Sie können sie haben, wenn Sie wollen. Wir zahlen Ihnen noch was dazu … meine Frau ist kurz vor dem Nervenzusammenbruch.«
    George lachte ebenfalls. »Wie alt sind sie denn?«
    »Sechzehn. Ich sag ihnen immer wieder, dass sie alt genug sind, um zu heiraten, aber sie verstehen den Wink mit dem Zaunpfahl nicht.« Er warf sich das Handtuch über die Schulter und begann, die Ärmel seines Hemds herunterzurollen. »Ehrlich gesagt bezweifle ich, dass es überhaupt Interessenten gibt. Die Jungs hören sie auf einen Kilometer Entfernung kommen und hauen sofort ab.« Er schüttelte lächelnd den Kopf. »Also, wie kann ich Ihnen helfen?«
    Er war zu nett, um mit Priscilla Fletcher verwandt zu sein, fand George und hob das Klemmbrett, auf 276

    dem die Fotokopie einer Seite aus der Wählerliste festgemacht war. »Sind Sie William Burton?«
    »Richtig.«
    Sie bot ihm die Hand. »Mein Name ist George Gardener. Ich bin Stadträtin und komme wegen der Kommunalwahlen, die am 1. Mai stattfinden.« Sie hatte geglaubt, das wäre ein guter Vorwand, um ihm ein paar Fragen zu stellen, aber sie erkannte, dass sie sich geirrt hatte, als sie sah, wie sein Gesicht sich verschloss.
    Er ließ ihre Hand los und machte Anstalten, die Tür zu schließen. »Nehmen Sie es mir nicht übel, aber das interessiert mich wirklich nicht. Wir gehen nicht zur Wahl.«
    »Darf ich fragen, warum nicht?«
    »Ich bin bei der Feuerwehr«, sagte er mit einer Kopfbewegung, zu einer Mütze und einer Uniform-jacke, die an einem Haken in der Diele hingen,
    »und ich habe es restlos satt, mir von Politikern sagen zu lassen, ich wäre unpatriotisch, nur weil ich es gewagt habe, für einen angemessenen Lohn zu streiken, als die Herren gerade beschlossen hatten, einen Krieg anzufangen. Können Sie mir vielleicht sagen, was daran unpatriotisch ist?«
    »Ach, herrje!« George verzog wieder das Gesicht.
    »Dazu kann ich nur sagen, dass ich sowohl gegen Kriege als auch gegen Streiks bin. Ich bin seit eh und je der Überzeugung, dass Verhandeln der einzige Weg ist, um Probleme zu lösen.«
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    »Das ist ja gut und schön, aber die haben den Krieg in unserem Namen erklärt, ohne dass sie unsere Zustimmung hatten.« Er funkelte George so wütend an, als wäre sie für die Entsendung der Truppen verantwortlich. »Über eine Million Menschen hat Nein gesagt, und das war nur die Spitze des Eisbergs. Auf jeden Einzelnen, der an dem Friedensmarsch in London teilgenommen hat, kamen zehn weitere, die nicht teilnehmen konnten.«
    »Haben Sie teilgenommen, Mr. Burton?«
    »Klar. Und rausgekommen ist nichts dabei.«
    »Ich war auch dabei.« Sie legte eine Hand an die Tür, um ihn daran zu hindern, sie zu schließen.
    »Hatten Sie Ihre Töchter dabei?«
    »Ja.«
    »Dann ist doch etwas Gutes dabei herausgekommen, Mr. Burton«, sagte sie ernsthaft. »Die Jugend hat viel zu lange geschwiegen. Jetzt hat sie sich endlich zu Wort gemeldet. Ich setze mich seit dreißig Jahren für die atomare Abrüstung ein, aber so etwas wie diesen Marsch habe ich nie erlebt.« Sie senkte das Klemmbrett mit der Liste, ließ aber die andere Hand an der Tür. »Mir können Sie Ihre Stimme nicht geben, weil das nicht mein Wahlbezirk ist – außerdem gehöre ich zu den Unabhängigen, habe also in Westminster überhaupt keinen Einfluss. Ich finde, jeder hat das Recht, sich der Stimme zu enthalten, Sie brauchen also nicht 278

    zu fürchten, dass ich versuchen werde, Sie davon abzubringen.«
    Er versuchte mit leichtem Druck, ihre Hand weg-zuschieben, und stieß auf Widerstand. »Aber?«
    »Eigentlich bin ich

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