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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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das war doch Howard Stamp. Ich weiß noch, dass mein Vater gesagt hat, was für ein elender kleiner Wichser er wäre.«
    George holte einmal Luft, um ihren Zorn ein wenig verrauchen zu lassen. »Wenn 1970 schon DNA-Vergleiche möglich gewesen wären, Mr. Burton, wäre Howard gar nicht erst angeklagt worden, geschweige denn verurteilt. Grace Jefferies wurde von jemand anderem getötet, aber damals hat es niemanden interessiert, wenn ein elender kleiner Wichser für etwas ins Gefängnis kam, was er nicht getan hatte. Das war ganz normal.«
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    »Wieso glauben Sie, dass Cills Verschwinden was mit dem Mord zu tun hatte?«
    »Aus einem ganz einfachen Grund«, antwortete George. »Der Blitz schlägt nie zweimal an derselben Stelle ein – oder wenn doch, dann gibt es dafür eine bestimmte Ursache. Louise sagte aus, einer der Vergewaltiger habe rotblondes Haar gehabt.
    Wissen Sie, wie er hieß?«
    »Wieso? Was haben rotblonde Haare damit zu tun?«
    »Grace’ Mörder hatte rotblondes Haar.«
    Diesmal zog sich das Schweigen in die Länge. Als versuchte der Mann am anderen Ende der Leitung, ein Puzzle zusammenzusetzen. »Ich kannte die Jungs vom Sehen«, sagte er endlich, »aber ich erinnere mich nur an einen Namen – Roy. Das war der, der Cill immer wieder getreten hat.«
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    West London
    Sonntag, 13. April 2003, mittags
    Die Agentur Spicer & Hardy hatte ihr Büro in der zweiten Etage einer ehemaligen Stadtvilla im Westen Londons, von eleganten viktorianischen Reihenhäusern umgeben. Dank Andrews geschiedener Frau, die sich als Innenarchitektin ihr Geld verdiente, waren die Räume vor sechs Jahren radikal modernisiert und alle Erinnerungen an Mr. Spicer und Mr. Hardy (kinderlos verstorben) getilgt worden, die eine Vorliebe für den Gelehrtenlook mit dunklen Wänden, schweren Ledermöbeln und
    Bücherschränken aus Mahagoni gehabt hatten.
    Andrew, der die alte Einrichtung geliebt hatte und sich noch heute an glückliche Kindheitstage erinnerte, an denen er sich in einem der Klubsessel im Büro seines Vaters zusammengerollt und gelesen hatte, was ihm unter die Finger kam, hatte sich nie mit den strahlend hellen weiten Räumen angefreundet, die Jenny mit Hilfe von Glas, Farbe und künstlicher Beleuchtung geschaffen hatte. Aber 294

    niemandem sonst ging es so wie ihm. Alle anderen fanden, die häufig fotografierte Raumkreation sei mehr als gelungen.
    George Gardener war keine Ausnahme. »Toll!«, sagte sie bewundernd, als Andrew sie nach einem Anstieg über eine eher unscheinbare Treppe in den Empfangsraum führte, wo geschickte Spiegel- und Lichtinstallationen einen gebogenen Schreibtisch aus Glas und Chrom in einen großzügigen hufei-senförmigen Empfangstisch verwandelten. »Was für ein herrlicher großer Raum.«
    »Alles Hokuspokus«, sagte Andrew, der schon die nächste Tür öffnete. »Seien Sie vorsichtig, nicht dass Sie aus Versehen gegen eine Glasscheibe laufen.«
    Sie gewahrte flüchtig ihr Spiegelbild und knöpfte hastig ihre Jacke zu. »Sie müssen eine sehr selbst-bewusste Rezeptionistin haben. Ich weiß nicht, ob ich es aushalten würde, mich den ganzen Tag selbst anzuglotzen.«
    Andrew lachte. »Wir können uns gar keine leisten, dazu sind wir nicht groß genug. Jeder bedient sein Telefon selbst. Dieser Empfangsraum war nicht die beste Idee meiner Frau. Entweder hat sie für eine Zukunft geplant, die niemals eintreten wird, oder sie hat geglaubt, in einer Literaturagentur ginge es zu wie in einer Arztpraxis, und die Leute kämen mit Taschen voller Manuskripte direkt von der Straße herein.« Er blieb stehen, um ihr den Vortritt 295

    zu lassen. »Man kann hier in Ruhe lesen oder auch mal ein Zweiergespräch führen, also ist der Raum wenigstens nicht ganz verschenkt.«
    Als Nächstes folgte ein Großraumbüro mit drei Schreibtischen, die durch Glasblenden, Grünpflan-zen und die Anordnung der Beleuchtungskörper voneinander abgeteilt waren. Unter den L-förmigen Schreibtischplatten aus Ebenholz, auf denen nur Computer und Telefone standen, gab es keine Schubladen.
    »Toll!«, sagte George ein zweites Mal, voller Ehrfurcht vor so viel klarer Ordnung. »Wird dieser Raum hier auch nicht benützt?«
    »O doch. Das ist das Herz der Firma. Hier werden alle Verwaltungsarbeiten erledigt – Korrespondenz, Verträge, Zahlungen, Manuskriptversand.« Er wies mit einer Kopfbewegung zum ersten Schreibtisch.
    »Da sitzt unsere Juristin. Sie muss sich jeden Tag mit einem ganzen Berg Akten herumschlagen.«
    »Und wo

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