Der Außenseiter
hergekommen, weil ich mit Louise Burton sprechen wollte. Ich nahm an, bei dem Ehepaar Burton in diesem Haus handelte es sich um ihre Eltern. Aber das ist offensichtlich nicht so. Sie können höchstens ihr Bruder sein, es sei denn, es ist reiner Zufall, dass unter dieser Adresse seit den Siebzigerjahren Burtons gemeldet sind.«
Er hatte diese Frage offenbar schon häufiger beantworten müssen, denn er schien nicht überrascht.
»Es ist jetzt fast dreißig Jahre her, dass Lou weg ist.
Meine Eltern haben Ende der Achtziger das Haus von der Gemeinde gekauft, und ich habe es vor sieben Jahren übernommen, als sie nach Cornwall umgezogen sind. Ich glaube, Lou hat sich in der ganzen Zeit nicht ein einziges Mal blicken lassen.«
»Wissen Sie, wo sie sich jetzt aufhält?«
Er schüttelte den Kopf. »Nach ihrer Heirat haben wir sie aus den Augen verloren.«
»Wissen Sie, wie sie sich nennt?«
Er antwortete nicht gleich. »Sind Sie vielleicht von einer Detektei?«
»Nein«, antwortete sie verwundert. »Ich bin, wie ich schon sagte, Stadträtin – für Highdown.
Außerdem Betreuerin im The Birches , dem Pflegeheim in der Hathaway Avenue. Ich wohne in der 279
Mullin Street, wo Sie und Ihre Familie früher einmal gewohnt haben.« Sie hielt kurz inne und fragte dann: »Waren denn Privatdetektive bei Ihnen, die Ihre Schwester gesucht haben?«
»Ich nehme an, Sie interessieren sich weniger für meine Schwester als für Cill Trevelyan«, sagte er, und sie nickte. »Okay, die Trevelyans heuern alle paar Jahre eine Detektei an, die versuchen soll, ihre Tochter ausfindig zu machen. Das letzte Mal war vor ungefähr drei Jahren jemand hier. Früher oder später sind diese Leute immer auf Lou gestoßen –zumindest auf die Tatsache, dass sie mal hier gelebt hat –, aber es hilft ihnen nie weiter. Abgesehen davon, dass wir nicht wissen, wo sie sich aufhält, hatte sie genauso wenig Ahnung wie alle anderen, was Cill damals zugestoßen ist.« Er zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Tut mir Leid.«
»Und Ihre Eltern? Haben sie noch mit ihr Kontakt?«
»Nein.« Er glaubte offenbar, seine Eltern verteidigen zu müssen. »Es war nicht ihre Schuld. Sie haben sich wirklich alle Mühe gegeben, aber Lou war immer schon eine, die meinte, woanders wäre alles besser. Sie ist mit sechzehn von der Schule abgegangen, hat dann als Friseuse gearbeitet und sehr bald geheiratet … danach haben wir sie aus den Augen verloren. Es hieß mal, sie wäre nach Australien gegangen, aber ich weiß nicht, ob das stimmt.«
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George gab sich enttäuscht. »Ach, wie schade!
Als ich feststellte, dass hier immer noch eine Familie Burton gemeldet ist, hoffte ich so sehr, mit ihr sprechen zu können.«
»Tut mir Leid«, sagte er noch einmal und trat zurück, um das Gespräch zu beenden.
Sie nahm die Hand nicht von der Tür. »Wie hieß denn ihr Mann?«
Er lächelte ziemlich zynisch. »Keine Ahnung.
Wir wurden nicht zur Hochzeit eingeladen. Soweit ich mich erinnere, nannte sie ihn Mike, als ich sie damals für meine Eltern ausfindig gemacht hatte, aber er war gerade im Knast, da habe ich ihn leider nicht kennen gelernt.« Beim Anblick ihres Gesichtsausdrucks schüttelte er den Kopf. »So was kommt vor«, sagte er. »Ich hatte mehr Glück.
Meine Frau ist ein Schatz.«
George nickte. »Ich weiß, das ist eine sehr persönliche Frage, aber hat sie mit vierzehn oder fünfzehn vielleicht ein Kind bekommen?«
Er zögerte. »Nicht dass ich wüsste.«
Es war eine seltsam ausweichende Antwort.
»Nun, es wäre Ihnen doch sicher aufgefallen«, meinte George und lächelte.
»Ich war wesentlich jünger als sie, ich hätte wahrscheinlich gar nicht verstanden, was vorging.
Sagen wir mal so: Ich kann mich nicht erinnern, dass plötzlich ein Baby in der Familie aufgetaucht wäre.«
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»War sie einmal mit einem gewissen Roy Trent verheiratet, der in Highdown ein Pub namens Crown and Feathers betreibt?«
Sie sah ein Flackern der Unschlüssigkeit in seinen Augen. »Nicht, dass ich wüsste«, antwortete er wieder, »aber wie ich schon sagte, wir haben keinerlei Kontakt mehr zu ihr.«
Sein Zögern und die Unbestimmtheit seiner Antworten veranlassten George zu ihrer nächsten Frage. »Als Cill damals vergewaltigt wurde, ist Louise da das Gleiche zugestoßen?«, fragte sie direkt. »Zog Ihre Familie deshalb um?«
»Nein.« Er hatte wieder festen Boden unter den Füßen. »Sie war dabei, aber ihr ist nichts passiert.
Es gibt da kein Geheimnis. Wir sind
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