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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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ja nicht, was Euch dazu bewegen hat.«
    »Seit den Zeiten von Hungernder Kojote ist die Stadt Texcóco berühmt als Mittelpunkt des Wissens und der Kultur, nur entwickelt eine solche Kultur sich nicht notwendigerweise von selbst weiter. Noch die edelsten Familien können Dummköpfe und Faulpelze hervorbringen – ich könnte dir sogar ein paar von mir selbst gezeugte nennen –, und deshalb sehen wir keinen Anlaß, uns zu scheuen, Begabungen von anderswoher zu uns zu holen und sind selbst einer Zufuhr fremden Bluts nicht abgeneigt. Du schienst vielversprechend, und deshalb bist du hier.«
    »Um auch weiterhin hier zu bleiben, Verehrter Sprecher?«
    »Das liegt an dir oder deinem Tonáli, oder an Umständen, die weder du noch wir vorhersehen können. Doch deine Lehrer haben bisher nur Gutes von dir berichtet, und deshalb meine ich, ist es an der Zeit, daß du ein wenig tatkräftiger an unserem Hofleben teilnimmst.«
    »Ich hatte gehofft, Euch Eure Großzügigkeit einmal vergelten zu können, Gebieter. Soll das heißen, daß mir eine nützliche Beschäftigung zugewiesen wird?«
    »Sofern sie dir zusagt. Als du vor kurzem fort warst, habe ich eine weitere Frau genommen. Sie heißt Chálchiunenetl – Jadestein Puppe.«
    Ich schwieg und überlegte verwirrt, ob er wohl aus irgendeinem Grunde vielleicht das Thema gewechselt hätte. Doch fuhr er fort:
    »Sie ist die älteste Tochter von Ahuítzotl, ein Geschenk von ihm anläßlich seiner Thronbesteigung als neuer Uey-Tlatoáni von Tenochtítlan. Sie ist Mexícatl wie du auch, und erst fünfzehn Jahre alt, könnte also deine jüngere Schwester sein. Unsere Vermählung ist gebührend gefeiert worden, doch wird der körperliche Vollzug der Ehe selbstverständlich noch hinausgeschoben werden, bis Jadestein Puppe reifer geworden ist.«
    Ich schwieg immer noch, wiewohl selbst ich dem weisen Nezahualpíli einiges über die körperlichen Fähigkeiten heranwachsender Mexíca-Mädchen hätte erzählen können.
    Er fuhr fort: »Man hat ihr ein kleines Heer von Frauen zugeteilt, die ihr aufwarten, sowie den gesamten Ostflügel als Wohnung für sie selbst, Unterkunft für die Dienerschaft und eine eigene Küche; ein eigener kleiner Hofstaat, wenn du so willst. Was die Bequemlichkeit, Bedienung und weibliche Gesellschaft betrifft, so dürfte es ihr an nichts mangeln. Doch jetzt möchte ich gern wissen, ob du dich einverstanden erklären könntest, in ihren Hofstaat einzutreten, Kopf Neiger. Die Gesellschaft von jedenfalls einem männlichen Wesen wäre gewiß gut für sie, zumal es sich dabei auch noch um einen Bruder-Mexícatl handeln würde. Gleichzeitig würdest du dadurch mir dienen: das Mädchen in unseren Sitten und Gebräuchen unterweisen, ihr unsere Texcócoer Sprechweise beibringen, sie darauf vorbereiten, eine Gemahlin zu sein, auf die ich stolz sein kann.«
    Ausweichend sagte ich: »Chálchiunenetzin ist aber möglicherweise nicht sonderlich erbaut davon, wenn ich zu ihrem Aufseher ernannt werde, Verehrter Sprecher. Junge Mädchen können launisch und schwer zu gängeln sein, begierig nach Freiheit …«
    »Wie gut ich das weiß«, sagte Nezahualpíli seufzend. »Ich habe selber zwei oder drei Töchter in diesem Alter. Und da Jadestein Puppe als Tochter eines Uey-Tlatoáni Prinzessin und die Königsgemahlin eines anderen ist, könnte es durchaus sein, daß sie noch lebenssprühender ist als die anderen. Meinen ärgsten Feind würde ich nicht dazu verurteilen, Aufseher über eine feurige junge Frau zu sein. Doch meine ich, Maulwurf, daß du sie zumindest angenehm anzuschauen finden wirst.«
    Er mußte schon eine Weile zuvor an einem verborgenen Klingelzug gezogen haben, denn er forderte mich durch eine Handbewegung auf, mich umzudrehen, und als ich es tat, sah ich ein schlankes Mädchen, in ein reich geschmücktes Zeremonialgewand, -bluse und -kopfputz gekleidet, langsam und doch königlich auf das Podest zuschreiten. Ihr Gesicht war vollkommen ebenmäßig, den Kopf trug sie aufrecht, und die Augen hatte sie sittsam niedergeschlagen.
    »Meine Liebe«, sagte Nezahualpíli. »Das hier ist Mixtli, von dem ich dir schon gesprochen habe. Möchtest du ihn in deinem Hofstaat haben, als Gefährten und Beschützer?«
    Sie hob die langbewimperten Augen, sah mich an, und ihre Augen waren wie unergründlich tiefe Waldseen. Später kam ich dahinter, daß sie sich stets Tropfen vom Saft des Camopalxihuitl-Krauts in die Augen zu tröpfeln pflegte, welche ihre Pupillen enorm weiteten und ihren

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