Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
doch gelang es mir, mit sehr gestrenger Stimme zu sagen: »Herrin, das schickt sich ganz und gar nicht.«
    »Ayya, die typische Prüderie des Nichtadligen«, machte sie sich über mich lustig und lachte. »Du mußt lernen, Hole!, daß eine Edelfrau nichts dabei findet, in Gegenwart von Sklaven nackt zu sein, zu baden oder ihre Notdurft zu verrichten. Ob Mann oder Frau, sie könnten genausogut Hirsch oder Wachtel sein, oder ein Nachtfalter im Raum; daß sie etwas sehen, ist völlig bedeutungslos.«
    »Ich bin kein Sklave«, erklärte ich steif. »Daß meine Augen meine Herrin unbekleidet sehen – die Königin des Uey-Tlatoáni – würde in jedem Fall als Schwerverbrechen angesehen werden. Außerdem können diejenigen, die wirklich Sklaven sind, reden.«
    »Meine nicht. Dazu fürchten sie meinen Zorn mehr als jedes andere Gesetz oder jeden anderen Herrn. Pitza, zeig Hole! deinen Rücken!«
    Die Zofe stieß einen klagenden Ton aus, zog jedoch, ohne sich umzudrehen, ihre Bluse herunter, damit ich die entzündeten Striemen sähe, die irgendeine Peitsche hinterlassen hatte. Ich sah zu Cozcatl hinüber, um mich zu vergewissern, daß er gleichfalls sah und begriff.
    »So«, sagte Jadestein Puppe mit magueysirupsüßem Lächeln, »und jetzt komm so nahe heran, wie du willst, Hole!, und zeichne mich ganz.«
    Selbiges tat ich, wiewohl mir die Hand dermaßen zitterte, daß ich die Linien häufig wegwischen und neu ziehen mußte. Freilich beruhte mein Zittern nicht ausschließlich auf meinem Entsetzen und meiner Angst. Der Anblick der völlig nackten Jadestein Puppe hätte, glaube ich, jeden Mann zum Zittern gebracht. Sie hätte zutreffender Gold Puppe heißen müssen, denn Gold war die Farbe ihres Körpers, und jede Fläche, Linie und Rundung, jede Falte, Wölbung und Vertiefung war vollkommen, wie von der Hand eines Toltécatl-Puppenmachers. Vielleicht sollte ich auch noch erwähnen, daß ihre Brustwarzen und die sie umgebenden Höfe tiefdunkel und herrlich groß waren.
    Ich zeichnete sie in der Pose, die sie eingenommen hatte: lang ausgestreckt auf der Ruhebank, bis auf ein Bein, das sie lässig auf den Boden hängen ließ; die Hände hatte sie hinterm Kopf verschränkt, um ihre Brüste noch herausfordernder herauszudrücken. Wiewohl ich nicht anders konnte, als mir gewisse Partien ihres Körpers zu betrachten – fast möchte ich sagen, mir einzuprägen –, muß ich gestehen, daß mein Gefühl für Schicklichkeit mich dazu brachte, diese auf der Zeichnung ein wenig verschwommen darzustellen, worüber Jadestein Puppe sich beschwerte, als ich ihr das fertige Bild reichte.
    »Zwischen den Beinen bin ich ganz verschmiert! Bist du nur prüde, Hole!, oder kennst du dich im weiblichen Körper nicht aus? Das Allerheiligste meines Körpers verdient doch gewiß ein besonderes Maß an Aufmerksamkeit und Genauigkeit!«
    Sie erhob sich von der Ruhebank und stellte sich breitbeinig vor mich hin, der ich auf dem niedrigen Stuhl hockte. Mit dem Finger zog sie nach, was sie jetzt zur Schau stellte und peinlich genau beschrieb. »Siehst du? Wie diese zarten rosigen Lippen hier vorn zusammenstoßen, um diesen kleinen Xacapíli-Knopf zu umschließen, der wie eine rosige Perle ist und – ach so empfänglich für noch die leichteste Berührung.«
    Mir rann der Schweiß am ganzen Körper herunter, die Zofe Pitza hatte sich nahezu völlig in den Vorhang eingewickelt, und Cozcatl schien vollends erstarrt, wie er geduckt in der Ecke hockte.
    »Jetzt hör endlich auf, dich zimperlich zu winden, Hole!« sagte die Mädchen-Königin. »Ich wollte dich nicht reizen, sondern eher dein Können auf die Probe stellen. Ich habe nämlich eine Aufgabe für dich.« Sie wandte sich um und fauchte die Zofe Pitza an: »Pitza, hör auf, deinen Kopf zu verstecken! Komm und kleide mich wieder an!«
    Während dies getan wurde, sagte ich: »Die Gebieterin wünscht, daß ich das Bild von jemand zeichne?«
    »Ja.«
    »Und von wem, Herrin?«
    »Von irgendwem«, sagte sie, und ich zwinkerte verwirrt. »Verstehst du, wenn ich mich in den Palastgärten ergehe oder in meinem Tragestuhl in die Stadt tragen lasse, wäre es bei meiner Stellung unmöglich, auf jemand zu zeigen und zu sagen: den da! Außerdem vermögen meine Augentropfen mich dermaßen zu blenden, daß ich jemand wirklich Attraktiven womöglich übersehe. Ich meine selbstverständlich Männer.«
    »Männer?« wiederholte ich begriffstutzig.
    »Ich will, daß du dein Papier und deine Kreide immer bei dir trägst,

Weitere Kostenlose Bücher