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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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wo du auch hingehst. Und jedesmal, wenn du einen hübschen Mann triffst, halte sein Gesicht und seine Gestalt für mich auf dem Papier fest!« Sie hielt inne und kicherte. »Du brauchst ihn nicht auszuziehen. Ich will so viele verschiedene Bilder von so vielen verschiedenen Männern, wie du nur beibringen kannst. Doch darf keiner erfahren, warum du es tust, oder für wen. Fragt man dich aus, sagst du, du übtest dich nur in deiner Kunst.« Sie warf mir meine beiden Zeichnungen wieder zu. »Das ist alles. Du darfst dich zurückziehen, Hole! Und wage nicht, zu mir zurückzukommen, bevor du nicht ein Schock Bilder vorzuweisen hast.«
    Schon damals beschlich mich eine Ahnung, daß Jadestein Puppes Befehl einmal böse Folgen haben könnte. Allerdings ließ ich diese Ahnung nicht weiter in mir hochkommen, sondern konzentrierte mich darauf, den Auftrag nach bestem Können und Vermögen auszuführen. Meine Hauptschwierigkeit bestand darin zu erraten, was ein fünfzehn Jahre altes Mädchen als »hübschen« Mann ansah. Da mir keine weiteren Anhaltspunkte gegeben worden waren, beschränkte ich mich bei meinen verstohlenen und in aller Heimlichkeit gefertigten Skizzen auf Prinzen und Ritter, Krieger, Athleten und andere stramme Burschen. Doch als ich dann zusammen mit Cozcatl, der meinen Stapel Borkenbögen trug, zu der Königin zurückkehrte, hatte ich aus Übermut auch noch eine Skizze hinzugefügt, die ich aus dem Gedächtnis gezeichnet hatte – und zwar von dem gebeugten und verhutzelten kakaobraunen Mann, der seltsamerweise immer wieder in meinem Leben auftauchte.
    Sie schnaubte verächtlich und sagte: »Ich glaube, du willst dich über mich lustig machen, Hole! Immerhin, ich habe Frauen davon tuscheln hören, welch besondere Wonnen man von Zwergen und Buckligen zu erwarten hat und« – dabei blickte sie rasch auf Cozcatl – »einem kleinen Jungen mit einem Tepúli, nicht größer als ein Ohrläppchen. Sollte ich eines Tages der gewöhnlichen Männer überdrüssig …«
    Sie blätterte die Zeichnungen durch, dann hielt sie inne und sagte: »Yyo ayyo! Dieser hier, Hole!, hat kühne Augenbrauen. Wer ist das?«
    »Das ist Kronprinz Schwarze Blume.«
    Ihr Stirnrunzeln war reizvoll. »Nein, das könnte mich in Schwierigkeiten bringen«, sagte sie, betrachtete eingehend jede Skizze, bis sie schließlich fragte: »Und dieser hier?«
    »Wie er heißt, weiß ich nicht, Herrin. Er ist ein Schnellbote, den ich manchmal Botschaften überbringen sehe.«
    »Das ist genau, was ich suche«, sagte sie mit dem für sie charakteristischen süßen Lächeln. »Hole ihn!« Diesmal war es nicht nur der Name, sondern auch ein Befehl. »Bring ihn her!«
    Bänglich hatte ich etwas Derartiges bereits geahnt; trotzdem brach mir jetzt der kalte Schweiß aus. Äußerst schüchtern und förmlich erklärte ich:
    »Gebieterin, man hat mir befohlen, Euch zu dienen und mich gewarnt, Euch weder zurechtzuweisen noch zu kritisieren. Wenn ich Eure Absichten jedoch richtig deute, bitte ich Euch, es Euch noch einmal genau zu überlegen. Ihr seid die jungfräuliche Prinzessin des mächtigsten Herrn in Der Einen Welt und als Jungfrau rechtmäßig dem einen Herrn vermählt, der gleichfalls ein mächtiger Gebieter ist. Ihr erniedrigt zwei Verehrte Sprecher und Euch selbst, edle Dame, wenn Ihr Euch mit einem anderen Mann abgebt, ehe Ihr das Bett Eures Gemahls besteigt.«
    Ich erwartete jeden Augenblick, daß sie die Peitsche zog, mit der sie ihre Sklavinnen traktierte, doch, immer dieses aufreizende süße Lächeln im Gesicht, hörte sie mich bis zu Ende an. Dann sagte sie:
    »Ich könnte dir sagen, daß deine Unverschämtheit sträflich ist, will mich jedoch darauf beschränken, dir zu erklären, daß Nezahualpíli älter ist als mein eigener Vater und seine Männlichkeit offenbar von der Dame von Tolan und allen seinen anderen Frauen und Konkubinen völlig entkräftet ist. Er hält mich hier einsam und abgesondert, während er ohne Zweifel verzweifelt Medizinen und Beschwörungen ausprobiert, um seine erschlafftes und verschrumpeltes altes Tepúli wieder steif zu machen. Warum aber sollte ich meine drängenden Bedürfnisse und die Blüte meiner Schönheit verschwenden, während ich darauf warte, bis es ihm paßt oder er dazu wieder fähig ist? Wenn er darauf angewiesen ist, seine Gattenpflichten noch aufzuschieben, werde ich dafür sorgen, daß sie wirklich lange aufgeschoben werden. Und dann, wenn er und ich bereit sind, kannst du sicher sein, daß ich

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