Der Azteke
Nezahualpíli davon überzeuge, unberührt, jungfräulich und ängstlich vor dem Kommenden zu sein wie nur je eine Jungfrau.«
Ich versuchte es nochmals, tat wirklich mein bestes, sie davon abzubringen, doch glaube ich nicht, daß irgend jemand mir das hinterher wirklich glaubte.
»Gebieterin, denkt daran, wer Ihr seid und aus welch einer Familie Ihr stammt. Ihr seid die Enkelin des Verehrten Motecuzóma, und der wurde von einer Jungfrau geboren! Sein Vater warf einen geschnittenen Stein in den Garten seiner Geliebten. Sie steckte sich ihn an den Busen und empfing das Kind Motecuzóma, ehe sie seinen Vater ehelichte oder ihm beiwohnte. So steht Ihr in einer Tradition der Reinheit und Jungfräulichkeit, die Ihr nicht ….«
Sie unterbrach mich mit einem Lachen. »Deine Fürsorge rührt mich, Hole! Doch diese Predigt hättest du mir halten sollen, als ich neun oder zehn Jahre alt war. Als ich wirklich noch Jungfrau war.«
Zu spät kam mir der Gedanke, mich umzudrehen und zu Cozcatl zu sagen: »Du solltest besser – du kannst jetzt gehen, Junge.«
Jadestein Puppe sagte: »Du kennst jene Schnitzereien, welche die schändlichen Huaxtéca fertigen? Die hölzernen Statuen mit dem übergroßen männlichen Glied? Mein Vater Ahuítzotl hat an der Wand einer Galerie eine solche hängen, als Kuriosum, um seine männlichen Freunde damit in Erstaunen zu versetzen. Frauen interessiert das jedoch auch. Das Glied ist glänzend und glatt gerieben von den vielen, die im Vorübergehen bewundernd ihre Hand darauf gelegt haben – Edelfrauen, Sklavinnen, ich selbst.«
Ich sagte: »Ich glaube, ich möchte diese Dinge wirklich nicht …« Doch sie ging einfach darüber hinweg.
»Ich mußte eine schwere Truhe an die Wand schieben, um darauf zu steigen und das Ding erreichen zu können. Und das kostete mich viele schmerzvolle Tage, denn nach jedem meiner frühen Versuche mußte ich ruhen und abwarten, bis mein noch viel zu kleines Tipili aufhörte zu schmerzen. Aber ich ließ nicht locker und empfand es schon als einen großen Triumph, als es mir schließlich gelang, zumindest die Spitze des gewaltigen Glieds hereinzubringen. Nach und nach nahm ich immer mehr davon in mir auf. Seither habe ich wohl an die hundert Männer gehabt, doch keiner von ihnen hat mir jene Empfindungen geschenkt, deren ich mich in jenen Tagen erfreute, da ich mit meinem kleinen Bauch an diesem groben Standbild der Huaxtéca rieb.«
Ich flehte sie an: »Ich sollte diese Dinge nicht erfahren, Gebieterin.«
Sie zuckte mit den Achseln. »Ich suche nicht nach Entschuldigungen dafür, wie ich bin. Diese Art von Erlösung brauche ich, brauche ich oft und werde ich mir verschaffen. Selbst dich würde ich zu diesem Zweck gebrauchen, Hole! Du bist nicht ohne Reiz. Und du würdest mich nicht verraten, denn ich weiß, daß du Nezahualpílis Wunsch achten wirst, nichts zu hinterbringen. Das jedoch würde dich nicht daran hindern, dein eigenes Schuldgefühl zu beichten, wenn wir uns paarten, und das würde unser beider Verhängnis sein. Daher …«
Sie reichte mir die Zeichnung, die ich von dem nichtsahnenden Schnellboten gezeichnet hatte, sowie einen Ring von ihrem Finger. »Gib ihm diesen. Er ist das Hochzeitsgeschenk meines Gemahls, und es gibt keinen anderen Ring, der ihm gleich wäre.«
Der Ring bestand aus rotem Gold und trug einen riesigen Smaragd von unschätzbarem Wert. Derlei Edelsteine wurden nur selten von den Kaufleuten gebracht, die sich bis in das Land der Quautemälan hinunterwagten, unserer am weitesten nach Süden vorgeschobenen Handelsbeziehung, und der Smaragd stammte nicht einmal von dort, sondern aus einem Land unbekannten Namens, noch unendlich viel weiter im Süden als Quautemälan. Der Ring war von der Art jener, die dazu bestimmt sind, an der hocherhobenen Hand getragen zu werden, denn am Reif selbst hingen noch Jadeanhänger, die am vorteilhaftesten wirkten, wenn ihre Trägerin ihre Hand hochhielt. Der Ring war in der Größe eigens für Jadestein Puppes Mittelfinger gefertigt. Ich konnte ihn kaum über meinen kleinen Finger streifen.
»Nein, tragen darfst du ihn nicht«, warnte das Mädchen mich. »Und er auch nicht. Diesen Ring würde jeder sofort erkennen, der ihn jemals gesehen hat. Er soll ihn nur verborgen bei sich tragen und ihn dann um Mitternacht bei der Wache am Osttor vorweisen. Beim Anblick dieses Rings wird sie ihn durchlassen. Pitza wird gleich hinterm Tor warten und ihn herbringen.«
»Heute nacht?« sagte ich. »Aber ich muß
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