Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
ohne weiteres. Der Verehrte Sprecher läßt seine Wachen schon nach ihnen suchen und holt bereits Erkundigungen über etliche Personen ein, die vermißt werden. Daß alles ans Tageslicht kommt, ist nur eine Frage der Zeit. Und wenn Pactli pünktlich ist, könnte es bereits morgen abend geschehen.«
    Sichtbar schwitzend, sagte Tlatli: »Maulwurf, wir können einfach nicht zulassen, daß du …«
    »Ihr könnt mich nicht mehr aufhalten. Und wenn ihr versucht zu fliehen, oder Pactli oder Jadestein Puppe zu warnen, erfahre ich sofort davon. In dem Falle gehe ich augenblicklich zum Uey-Tlatoáni.«
    Chimáli: »Dann ist dein Leben genauso verwirkt wie das aller anderen. Warum mir und Tlatli das antun, Maulwurf? Warum dir selber das antun?«
    »Am Tod meiner Schwester ist nicht nur Pactli allein schuld. Ich hatte damit zu tun, ihr hattet damit zu tun. Ich bin entschlossen, mit meinem Leben dafür zu sühnen, falls das mein Tonáli ist. Ihr müßt die Chancen nützen, die ihr habt.«
    »Chancen!« Tlatli warf die Hände in die Höhe. »Was für Chancen?«
    »Eine sehr gute Chance. Ich vermute, daß die Dame selbst Verstand genug besitzt, nicht einen Prinzen von Mexíca umzubringen. Ich vermute, sie wird eine Zeitlang mit ihm spielen, vielleicht sogar eine lange Zeit hindurch, ihm dann ein Versprechen abnehmen, nichts zu verraten und ihn nach Hause schicken.«
    »Ja«, sagte Chimáli nachdenklich. »Möglich, daß sie mit der Gefahr spielt, aber sie wird nicht schlicht Selbstmord begehen.« Dann wandte er sich Tlatli zu. »Und während er hier ist, können wir, du und ich, die bereits angefangenen Standbilder fertigstellen. Dann können wir dringende Arbeiten woanders vorschützen . . .«
    Tlatli schluckte den Bodensatz seiner Schokolade hinunter. »Komm! Wir werden Tag und Nacht arbeiten. Alles, was wir angefangen haben, muß fertig sein. Wir müssen Grund haben, um dringliche Abreise zu bitten, ehe die Dame unseres Prinzen überdrüssig wird.«
    Mit dieser Hoffnung machten sie, daß sie aus meinen Gemächern hinauskamen.
    Ich hatte ihnen gegenüber nicht die Unwahrheit gesagt; ich hatte es nur unterlassen zu erwähnen, welche Vorkehrungen ich meinerseits getroffen hatte. Auch hatte ich die Wahrheit gesprochen, als ich meinte, daß Jadestein Puppe davor zurückschrecken würde, einen Prinzen zu beseitigen. Diese vage Möglichkeit bestand immerhin. Und aus diesem Grunde, und um dieses ganz bestimmten Gastes willen hatte ich in der üblichen Formulierung der Einladung eine winzige Kleinigkeit geändert.
    Um Mitternacht des nächsten Tages hielt ich lauschend das Ohr an die Innenseite meiner Tür, bis ich hörte, wie Pitza und der Gast über den Gang kamen und in die Wohnung gegenüber eintraten. Sodann machte ich meine Tür noch einen Spalt weit auf, um besser hören zu können. Was ich erwartete, war ein Wutausbruch von Seiten Jadestein Puppes, sobald sie Pactlis gewöhnliches Gesicht mit meinem idealisierten Bildnis verglich. Worauf ich jedoch nie gefaßt gewesen wäre, war der spitze Aufschrei, den ich dann tatsächlich zu hören bekam: ein Aufschrei, der auf einem echten Schrecken beruhte, und dann meinen kreischend ausgestoßenen Namen. »Hole! Komm augenblicklich her! Hole!«
    Das wollte mir als eine höchst ungewöhnliche Reaktion vorkommen, selbst für jemand, der das abstoßende Gesicht des Herrn Freude zum erstenmal sah. Ich machte meine Tür auf, trat hinaus und fand eine speertragende Wache davor stehen – und gegenüber, neben der Tür meiner Gebieterin, eine zweite. Beide rissen respektvoll ihre Speere in die Höhe, als ich hinaustrat, und keine versuchte, mich daran zu hindern, in die Gemächer meiner Gebieterin einzutreten.
    Die junge Königin stand nur wenige Schritte von der Tür entfernt. Ihr Gesicht hatte sich häßlich verzerrt; fast weiß war es vor Schrecken. Dann jedoch lief sie puterrot an, und sie überhäufte mich mit einer Flut von Flüchen. »Was für eine Komödie soll das hier sein, du Hundesohn? Bildest du dir etwa ein, du könntest dich lustig über mich machen?«
    So ging das in voller Lautstärke eine Weile weiter. Ich wandte mich nach Pitza und dem Mann um, den sie hergebracht hatte und – trotz der gemischten Gefühle, die mich bewegten, konnte ich einfach nicht anders – ich brach in schallendes Gelächter aus. Ich hatte ganz vergessen, daß Jadestein Puppe ihrer Augentropfen wegen außerordentlich kurzsichtig war. Sie mußte durch sämtliche Gemächer und Korridore ihrer Wohnung

Weitere Kostenlose Bücher