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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Palastflügel lag, nickte ihnen dann jedoch immer nur kurz grüßend zu. Sie hatten mittlerweile eine Reihe von Unterredungen mit ihrer Gönnerin hinter sich, und ich bemerkte, daß ihre anfängliche Begeisterung über ihre Arbeit beträchtlich abgeflaut war. Sie machten jetzt einen deutlich unruhigen und ängstlichen Eindruck. Ganz offensichtlich hätten sie sich liebend gern mit mir über die heikle Lage ausgesprochen, in der sie sich plötzlich befanden, doch solche Annäherungsversuche wies ich stets kalt ab.
    Ich selber war mit etwas beschäftigt, was ich mir vorgenommen hatte – nämlich eine ganz besondere Zeichnung herzustellen, um sie Jadestein Puppe vorzulegen, wenn sie mich das nächstemal zu sich rufen ließ; dabei handelte es sich um das schwierigste Unternehmen, das ich mir bisher vorgenommen hatte. Es ging um die Darstellung eines ganz besonders stattlichen jungen Mannes; er sollte unwiderstehlich sein, mußte gleichzeitig aber auch einem jungen Mann ähneln, den es wirklich gab. Wie viele mißglückte Versuche habe ich nicht zerrissen, ehe mir eine zufriedenstellende Skizze gelang, an der ich dann noch lange feilte, bis ich zuletzt ein Blatt vorliegen hatte, von dem ich überzeugt war, daß es die Mädchen-Königin faszinieren würde. Und das tat es denn auch.
    »Aber der ist mehr als stattlich, der ist wunderschön!« rief sie aus, als ich ihr das Blatt reichte. Sie versenkte sich in das Bild und murmelte dann: »Wäre er eine Frau, könnte es niemand anders sein als Jadestein Puppe.« Ein höheres Lob aus ihrem Munde war nicht denkbar. »Wer ist es?«
    Ich sagte: »Er heißt Freude.«
    »Ayyo, einen treffenderen Namen könnte es gar nicht für ihn geben. Und wo hast du ihn gefunden?«
    »Er ist der Kronprinz meiner Heimatinsel, Gebieterin. Páctlitzin, Sohn von Tlauquécholtzin, dem Tecútli von Xaltócan.«
    »Und als du ihn wiedersahest, hast du an mich gedacht und für mich ein wirklichkeitsgetreues Bild von ihm gemalt. Wie reizend von dir. Hole! Da könnte ich dir fast verzeihen, daß du mich so viele Tage lang schmählich allein gelassen hast. Jetzt geh hin und hole ihn mir!«
    Wahrheitsgetreu sagte ich: »Ich fürchte, auf mein Geheiß hin würde er nicht kommen, Gebieterin. Pactli und ich sind nicht gut aufeinander zu sprechen. Freilich …«
    »Dann tust du dies nicht, um ihm einen Gefallen zu tun«, fiel mir das Mädchen ins Wort. »Ich frage mich, ob du mir einen Gefallen tun willst.« Sie hatte ihre unergründlichen Augen argwöhnisch auf mich gerichtet. »Es stimmt, ich habe dich nie ungerecht behandelt, aber du hast auch keinen Grund, mir besonders zugetan zu sein. Warum dann plötzlich diese unerbetene Großzügigkeit?«
    »Ich bemühe mich, den Wünschen und Befehlen meiner Gebieterin zuvorzukommen.«
    Ohne ein weiteres Wort zog sie am Klingelzug, und als eine Zofe erschien, befahl sie, daß Chimáli und Tlatli geholt würden. Furchtsam meldeten sie sich, und Jadestein Puppe zeigte ihnen die Zeichnung. »Ihr beide stammt gleichfalls aus Xaltócan. Erkennt ihr diesen jungen Mann?«
    »Pactli!« entfuhr es Chimáli. »Gewiß, das ist der Herr Freude, Gebieterin, aber …«
    Ich warf ihm einen Blick zu, der ihn veranlaßte, den Mund zu schließen, ehe er sagen konnte: »Aber so edel hat der Herr Freude nie ausgesehen.« Und ich hatte nichts dagegen, daß Jadestein Puppe meinen Blick mitbekam.
    »Ich verstehe«, sagte sie durchtrieben, als ob sie mir auf die Schliche gekommen wäre. »Ihr beide könnt jetzt gehen.« Und nachdem die beiden Freunde den Raum verlassen hatten, sagte sie zu mir: »Du sagtest, du seiest ihm nicht grün. Irgendeine schmutzige Rivalität um ein Mädchen, wie ich annehme, bei dem der junge Edelmann dich ausgestochen hat. Jetzt willst du listig dafür sorgen, daß der junge Mann ein letztes Stelldichein bekommt, von dem du weißt, daß es sein letztes sein wird.«
    Mit Bedacht blickte ich an ihr vorbei, hinüber zu den Standbildern, die Meister Pixquitl von dem Schnellläufer Yeyac-Netztlin und dem Gärtner Xali-Otli geschaffen hatte, setzte jedoch ein unergründliches Lächeln auf und sagte: »Ich wiege mich gern in dem Glauben, uns allen dreien einen Gefallen zu tun. Meiner Gebieterin, Herrn Pactli und mir auch.«
    Sie stieß ein unbekümmertes Lachen aus. »Sei's drum! Gewiß, ich bin dir jetzt wohl einen Gefallen schuldig. Aber du mußt ihn hierherschaffen.«
    »Ich habe mir erlaubt, einen Brief vorzubereiten«, sagte ich und zog ihn hervor, »und zwar auf

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