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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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hindurchgeeilt sein, um den sehnlichst erwarteten Herrn Freude zu umarmen, und muß bis unmittelbar vor den Besucher gelangt sein, ehe ihre Augen ihr erlaubten, ihn klar zu sehen. Und das muß in der Tat genügt haben, ihr, die ihn noch nie gesehen hatte, einen Entsetzensschrei zu entlocken. Selbst für mich war sein Anblick eine Überraschung, die mich nahezu umwarf, doch ich brach nur in Lachen aus, statt zu schreien, denn ich hatte immerhin den Vorteil, den verhutzelten und buckligen kakaobraunen Mann bereits zu kennen.
    Ich hatte den Brief an Pactli in einer Weise abgefaßt, die gewährleistete, daß er nicht unbemerkt herkommen konnte; aber ich hatte keine Ahnung, warum der alte Bucklige anstelle von Pactli gekommen war, und es schien auch nicht der rechte Augenblick, ihn danach zu fragen. Außerdem konnte ich nicht aufhören zu lachen.
    »Ungetreu! Unverzeihlich! Unverfroren!« kreischte die Mädchen-Königin angesichts meines schallenden Gelächters, während Pitza versuchte, sich hinter den nächsten Vorhängen unsichtbar zu machen und der kakaobraune Mann meinen auf Kitzhaut geschriebenen Brief schwenkte und sagte: »Aber das ist doch Eure Unterschrift, nicht wahr, Gebieterin?«
    Sie hörte auf mit ihrer Flut von Schmähungen und fuhr ihn knurrend an: »Jawohl! Aber kannst du dir vorstellen, daß er für einen elenden, abgerissenen Bettler bestimmt war? Jetzt mach deinen zahnlosen Mund zu!« Womit sie wieder zu mir herumfuhr. »Es muß ein Witz sein, wo du dich vor Lachen nicht halten kannst. Gestehe, und du wirst nur bis aufs Blut ausgepeitscht werden. Wenn du aber weiterlachst wie jetzt, dann schwöre ich dir, daß du …«
    »Aber selbstverständlich, Gebieterin«, ließ der Mann sich nicht beirren, »erkenne ich in diesem Brief die Bilderschrift meines alten Freundes Maulwurf hier.«
    »Ich habe gesagt: Halte den Mund! Sobald sich dir die blumenumrankte Würgschlinge um den Hals legt, wirst du jedes Wort bedauern, das du jetzt sprichst. Außerdem heißt er Hole!«
    »Wirklich? Wie passend.« Seine zu einem Schlitz verengten Augen richteten sich auf mich, und wie es darin glitzerte, das war alles andere als freundlich, so daß mir das Lachen verging. »Doch in dem Brief heißt es deutlich, meine Gebieterin, daß ich mich um diese Stunde hier einzufinden und diesen Ring zu tragen hätte … und …«
    »Nicht tragen, elender Tropf!« rief sie höchst unklugerweise. »Du Schelm willst jetzt wohl auch noch behaupten, du könntest lesen? Der Ring sollte verborgen werden! Du hingegen mußt ihn in ganz Texcóco herumgezeigt und damit geprahlt haben … yya ayya « Sie knirschte mit den Zähnen und fuhr wieder zu mir herum. »Ist dir klar, was du mit deinem unseligen Scherz alles angerichtet hast, du Tolpatsch du? Yya ouiya, aber warte, du stirbst den qualvollsten und langsamsten aller Tode!«
    »Wieso ein Scherz, hohe Gebieterin?« fragte der Bucklige. »Nach diesem Brief müßt Ihr jemanden erwartet haben. Und mit welcher Freude Ihr mir entgegengelaufen gekommen seid, mich zu begrüßen …«
    »Dich? Dich zu begrüßen?« kreischte das Mädchen und warf die Arme in die Höhe, gleichsam als lasse sie jetzt alle Vorsicht fahren. »Glaubst du etwa, selbst die billigste, hungrigste Hafenhure von ganz Texcóco würde sich zu dir legen?« Und nochmals wandte sie sich mir zu. »Hole! Warum hast du dies getan?«
    »Gebieterin«, sagte ich und brachte diese harten Worte mit sanftester Stimme vor: »Ich habe oft gemeint, Euer hoher Gemahl habe es sich nicht genau genug überlegt, als er mir befahl, der Dame Jadestein Puppe zu dienen – und zwar fraglos zu dienen. Ich war jedoch gehalten zu gehorchen. Und wie Ihr mir einmal in aller Deutlichkeit klargemacht habt, Gebieterin, konnte ich Eure Verruchtheit nicht verraten, ohne sowohl Euch als auch ihm ungehorsam zu sein. Deshalb mußte ich Euch eine Falle stellen, damit Ihr Euch endlich selbst verrietet.«
    Sie wich einen Schritt vor mir zurück, und ihr Mund bewegte sich, ohne daß ein Wort herauskam. Nach und nach erblaßte ihr vor Wut puterrotes Gesicht wieder. »Du … mir eine Falle gestellt? Dann ist dies … kein Scherz?«
    »Jedenfalls nicht seiner, sondern meiner«, erklärte der Bucklige. »Ich war unten an der Schiffslände, als ein wohlgekleideter, gesalbter und nach Wohlgerüchen duftender junger Herr Eurem Acáli entstieg, Gebieterin, und mutig hierherkam, wobei er, allen sichtbar, am kleinen Finger seiner großen Hand diesen Ring hier in die Höhe reckte.

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