Der Azteke
Texcaltéca und Acólhua, zumindest insoweit ich sie beobachtet und durchschaut hatte. Eines Mittags trat Cozcatl in mein sonniges Arbeitszimmer und bat um die Erlaubnis, mich unterbrechen zu dürfen.
Er sagte: »Herr, von Texcóco her ist ein großes Kanu eingetroffen und hat am Innenhofgarten des Palastes festgemacht. Der Steuermann sagt, er bringe Sachen, die Euch gehörten.«
Das zu hören machte mich sehr froh. Als ich aus Nezahualpílis Palast ausgezogen war, um mich freiwillig bei der Truppe zu melden, hatte ich gemeint, es stehe mir nicht zu, irgendwelche von den feinen Kleidungsstücken und den anderen Geschenken mitzunehmen, welche mir in der Zeit vor meiner Verbannung gemacht worden waren. Cozcatl hatte inzwischen zwar für uns beide Gewänder geliehen, die wir tragen konnten, doch im Grunde besaßen weder er noch ich irgend etwas außer den nunmehr außerordentlich verpönten Schamtüchern, Sandalen und schweren Tlamáltin, die wir auf dem Weg zum Kriegsschauplatz und zurück getragen hatten. Ich sagte dem Jungen:
»Das ist eine außerordentlich aufmerksame Geste, die wir vermutlich der Dame von Tolan zu verdanken haben. Hoffentlich hat sie deine Kleidung auch gleich mitgeschickt. Besorg einen Palast-Tamemi, daß er dir hilft das Bündel herzubringen.«
Als er in Begleitung des Steuermanns und eines ganzen Trupps von Tamémime wieder heraufkam, war ich dermaßen überrascht, daß ich meine Arbeit vollständig vergaß. Nie in meinem Leben hatte ich eine solche Menge an Dingen besessen, wie die Träger sie jetzt herauftrugen und in meinen Gemächern stapelten. Ein großes und ein kleineres Bündel, säuberlich in schützende Schilfmatten verpackt, erkannte ich immerhin. Im größeren befanden sich meine Kleider und andere Habseligkeiten, darunter übrigens auch das Andenken an meine Schwester, das Figürchen der Göttin Xochiquétzal, und im kleineren die Cozcatls. Doch auf die anderen Ballen und Pakete konnte ich mir keinen Reim machen, und so erklärte ich, es müsse sich um einen Irrtum handeln; die seien gewißlich für jemand anders bestimmt.
Der Steuermann sagte: »Jedes ist besonders gekennzeichnet, Herr. Ist dies nicht Euer Name?«
Das stimmte. Jedes einzelne Bündel trug ein daran befestigtes Stück Borkenpapier, auf dem mein Name stand. Zwar gab es in Tenochtítlan viele Mixtlis und auch eine ganze Reihe von Tliléctic-Xochitl Tliléctic-Mixtli. Ich forderte sämtliche Anwesenden auf, mir zu helfen, die Umhüllungen aufzumachen, damit die Arbeiter, falls sich erwies, daß der Inhalt doch für jemand anders bestimmt war, alles gleich wieder einpacken und zurückbringen konnten. War ich schon zuvor einigermaßen verwirrt gewesen, so sollte ich gleich darauf nicht mehr wissen, wo mir der Kopf stand.
Ein mit Fasermatten umhüllter Ballen enthielt einen säuberlichen Stapel von vierzig Männerumhängen aus feinster, reich bestickter Baumwolle. Ein weiterer enthielt eine gleiche Anzahl Frauenröcke, die mit dem besonders kostbaren, aus Insekten gewonnenen Farbstoff rot gefärbt waren. Ein weiterer Ballen barg genauso viele Frauenblusen mit erlesener, durchbrochener Handarbeit, so daß sie nahezu durchsichtig waren. Noch ein anderes Bündel enthielt einen Ballen gewebter Baumwolle, der – hätten wir ihn auseinandergefaltet und zur Gänze entrollt – zwei Armlängen breit und an die zweihundert Schritt lang gewesen wäre. Wiewohl die Baumwolle von schmucklosem Weiß war, wies sie doch keinerlei Säume auf und war daher – schon allein von der möglicherweise jahrelangen Arbeit her, die eine Weberin daran gewendet haben mußte – unbezahlbar. Das schwerste aller Bündel enthielt, wie es sich herausstellte, Itztetl-Brocken, also rohe und unbearbeitete Obsidianstücke.
Gleichwohl waren die drei leichtesten Bündel die kostbarsten von allen, denn sie enthielten keine Tauschwaren, sondern allgemein gültige Zahlungsmittel. Das eine einen Beutel mit zwei oder drei Tausend Kakaobohnen; ein zweites einen Beutel mit zwei- oder dreihundert Stücken Zinn oder Kupfer, die wie winzige Axtschneiden aussahen und von denen ein jedes mit achthundert Kakaobohnen aufgewogen wurde; und das dritte ein Bündel von vier Federkielen, jeder durchsichtige Federkiel mit einem Stopfen aus Óli-Gummi verschlossen und gefüllt mit reinem, schimmerndem Goldstaub.
Ich sagte zu dem Bootsmann: »Ich wünschte, es wäre kein Versehen, doch es kann nur ein Irrtum sein. Nehmt es zurück.
Dieses Vermögen muß aus
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