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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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finden. Prächtiger denn je. Vom nächsten Buckel in der Straße aus wirst du es daliegen sehen.« Als wir diese Erhebung erreichten, vollführte er eine ausladende Geste und sagte: »Schau!« Selbstverständlich konnte ich die große Inselstadt in der Ferne, die genauso weiß schimmerte, wie ich sie in der Erinnerung hatte, wahrnehmen, nur die Einzelheiten konnte ich nicht erkennen – höchstens, wenn ich die Augen besonders anstrengte, daß die mit schimmerndem Weiß bedeckte Fläche womöglich noch größer geworden zu sein schien. »Die Große Pyramide«, sagte Blut Schwelger ehrfürchtig. »Du solltest stolz sein, daß deine Tapferkeit dazu beiträgt, die Einweihungszeremonie zu verschönern.«
    An der Spitze des Vorgebirges stießen wir auf die Stadt Mexícaltzinco, von welcher aus sich der Damm über den See hinweg nach Tenochtítlan erstreckte. Die gepflasterte Prachtstraße war breit genug, daß zwanzig Mann bequem nebeneinander hermarschieren konnten, doch ließen wir unsere Gefangenen sich in Viererreihen aufstellen, und neben ihnen gingen in bestimmten Abständen Wachen. Das taten wir nicht, um unseren Triumphzug zu strecken und noch größeren Eindruck zu machen, sondern weil die Brücke zu beiden Seiten voll stand von Leuten aus der Stadt die gekommen waren, uns willkommen zu heißen. Das Volk brach in Hochrufe aus und schrie und ließ Blumen auf uns herniederregnen, als ob der Sieg einzig uns Mexíca und Tecpanéca zu verdanken sei.
    Auf halbem Wege zur Stadt weitete sich der Damm zu einer ausgedehnten Plattform, auf der die Feste Acachinánco lag, eine Verteidigungsanlage gegen jeden Angreifer, der versuchen sollte, auf diesem Wege Tenochtitlan einzunehmen. Wiewohl ausschließlich auf Pfeilern im Wasser errichtet, war die Festung fast so groß wie die beiden Städte zusammen, welche wir auf dem Festland durchschritten hatten. Die Garnison reihte sich in die Menge der uns willkommen Heißenden ein – da wurde getrommelt und wurden Muschelhörner geblasen, Schlachtrufe ausgestoßen, da schlugen sie mit ihren Speeren gegen ihre Schilde – ich jedoch konnte sie nur voller Verachtung ansehen, weil sie uns in der Schlacht nicht zur Seite gestanden hatten.
    Als ich und die anderen an der Spitze des Zuges auf dem großen Platz in der Mitte von Tenochtítlan einmarschierten, waren die letzten unserer Gefangenen noch dabei, aus der Stadt Mexícaltzinco herauszukommen, zwei und einhalbmal. Ein Langer Lauf hinter uns. Auf dem Platz, Dem Herzen Der Einen Welt, scherten wir Mexíca aus der Kolonne aus und überließen sie den Tecpanéca. Sie bogen samt den Gefangenen scharf nach links ab und führten sie die Prachtstraße und dann den Damm entlang, der hinüberführt nach Tlácopan. Dort sollten die Gefangenen bis zu dem Tag, an dem die Große Pyramide geweiht wurde, außerhalb der Stadt irgendwo auf dem Festland untergebracht werden.
    Die Pyramide! Ich drehte mich um und sah sie mir an, und sperrte dabei Mund und Nase auf, wie ich es zuvor wohl nur als Kind getan hatte. Im Laufe meines Lebens sollte ich noch größere Tlamanacáltin zu sehen bekommen, niemals jedoch eine so strahlend neue. Sie war das höchste Bauwerk von ganz Tenochtítlan und beherrschte die Stadt. Denjenigen, die sie von weither übers Wasser erblickten, bot sie einen ehrfurchtgebietenden Anblick, denn die Zwillingstempel auf ihrer abgeflachten Spitze ragten stolz, anmaßend und prächtig hoch über allem, was sonst zwischen der Stadt und den Bergen auf dem Festland zu sehen war. Ich jedoch hatte wenig Zeit, sie oder irgendwelche anderen überragenden Bauten zu betrachten, die entstanden waren, seit ich das letztemal auf dem Herzen Der Einen Welt gestanden hatte. Ein junger Page aus denn Palast drängelte sich durch die Menge und fragte überall nach dem Pfeilritter Xococ.
    »Der bin ich«, erklärte Xococ selbstbewußt.
    Der Page sagte: »Der Verehrte Sprecher Ahuítzotl befiehlt, daß Ihr Euch augenblicklich bei ihm meldet und den Iyac namens Tliléctic-Mixtli mitbringt.«
    »Oh«, sagte Xococ leicht verstimmt. »Sehr wohl. Wo bist du, Umhebelt? Ich meine, Iyac Mixtli. Komm mit!« Insgeheim meinte ich, es wäre besser, erst einmal zu baden und ein Schwitzbad zu nehmen, ehe wir uns beim Uey-Tlatoáni meldeten, und uns saubere Kleider anzuziehen, doch erhob ich keinen Einspruch, sondern begleitete ihn so, wie ich war. Als der Page uns in der Menge voranging, wies Xococ mich an: »Küß demütig und anmutig die Erde, doch dann zieh dich

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