Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
Herr. Ich habe alle Bündel und Körbe vorläufig in die Vorderkammer bringen lassen.«
    Nun, ich konnte dankbar sein, daß zumindest keiner der Diener gemerkt hatte, wie sehr ich durch Béus plötzliches Auftauchen verstört worden war – und daß Cocóton nicht wach geworden war und sich geängstigt hatte. Folglich sagte ich nichts mehr. Friedlich aß ich weiter mein Frühstück – doch sollte das nicht lange dauern. Offenbar auf der Hut, nicht neuerlich meinen Zorn zu erregen, kam Stern Sänger und meldete in aller Form die Ankunft einer weiteren Besucherin, welche er freilich vor der Haustür hatte stehen lassen. Da ich wußte, um wen es sich handeln müsse, stieß ich einen tiefen Seufzer aus, trank den Rest meiner Schokolade und ging zur Haustür.
    »Will man mich denn nicht wenigstens hereinbitten?« sagte Kitzlig schalkhaft. »Das hier draußen ist ja der reinste Marktplatz und nicht sonderlich geeignet für das, was wir …«
    »Was wir vergessen müssen und worüber wir nie wieder reden dürfen«, fiel ich ihr in die Rede. »Die Schwester meiner verstorbenen Frau ist zu Besuch gekommen. Du erinnerst dich doch noch an Béu Ribé.«
    Kitzlig schien einen Augenblick ganz aus der Fassung. Doch dann sagte sie: »Nun, wenn nicht hier, kannst du ja mit zu mir nach Hause kommen.«
    Ich sagte: »Wirklich, meine Liebe. Es ist Béus erster Besuch seit drei Jahren, und es wäre schon außerordentlich unhöflich von mir, sie allein zu lassen – und außerordentlich schwierig zu erklären.«
    »Aber Cozcatl wird heute abend wieder da sein!« rief sie wehklagend.
    »Dann, fürchte ich, haben wir unsere Gelegenheit verpaßt.«
    »Wir müssen dafür sorgen, daß es eine neue gibt«, sagte sie verzweifelt. »Wie kann ich eine andere Gelegenheit herbeiführen, Mixtli, und wann?«
    »Wahrscheinlich nie«, sagte ich, nicht sicher, ob ich es bedauern oder ob ich erleichtert sein sollte darüber, daß die heikle Situation sich ohne mein Zutun in Wohlgefallen aufgelöst hatte. »Von jetzt an gibt es einfach zu viele Augen und zu viele Ohren. Wir können sie nicht alle hinters Licht führen. Das beste ist, du vergißt …«
    »Du hast gewußt, daß sie kommt!« fauchte Kitzlig. »Die Müdigkeit gestern abend war nur gespielt, bloß, um mich hinzuhalten, bis du eine richtige Entschuldigung hattest, mich abzuweisen.«
    »Glaub, was du willst«, sagte ich mit einer Müdigkeit, die keineswegs vorgeschützt war. »Aber ich muß ablehnen.«
    Vor meinen Augen schien sie in sich zusammenzusacken. Den Blick abgewendet, sagte sie: »Du bist mir eine lange Zeit hindurch ein Freund gewesen, und meinem Mann Cozcatl noch länger. Aber das, was du jetzt tust, ist sehr unfreundlich, Mixtli. Für uns beide.« Womit sie langsam die Stufen hinunterstieg und schleppenden Gangs die Straße hinunterging.
    Cocóton saß beim Frühstück, als ich wieder hineinging. Ich ließ daher Stern Sänger kommen, trug ihm eine völlig überflüssige Besorgung auf dem Markt von Tlatelólco auf und schlug ihm vor, das Mädchen mitzunehmen. Sobald sie mit dem Frühstück fertig war, zogen die beiden los, und ich wartete nicht sonderlich freudig auf Béus Erscheinen. Die Auseinandersetzung mit Kitzlig war nicht leicht für mich gewesen, aber immerhin war sie kurz gewesen; mit Wartender Mond konnte ich nicht so umspringen. Sie schlief bis in den Vormittag hinein und kam erst um Mittag herunter. Ihr Gesicht war faltig und vom Schlaf gedunsen. Ich saß ihr auf der anderen Seite des Speisetuchs gegenüber, und nachdem Türkis ihr das Frühstück vorgesetzt und sich wieder in die Küche zurückgezogen hatte, sagte ich:
    »Es tut mir leid, daß ich dich gestern so wenig zuvorkommend empfangen habe, Schwester Béu. Ich bin Besuch zu so früher Stunde nicht gewöhnt, und meine Umgangsformen sind vor Sonnenaufgang auch nicht gerade die besten. Dich hätte ich von allen Besuchern nun am allerwenigsten erwartet. Dürfte ich fragen, warum du hier bist?«
    Fassungslos, erschrocken geradezu, sah sie mich an. »Da mußt du fragen, Záa? Die Familienbande unter den Wolkenmenschen sind stark ausgeprägt und verbinden. Ich dachte, ich könnte von Nutzen sein, ja, den Witwer meiner eigenen Schwester und das mutterlose Kind trösten.«
    Ich sagte: »Was den Witwer betrifft, nun, so bin ich seit Zyanyas Tod auf Reisen gewesen und auf diese Weise über meinen Verlust hinweggekommen, soweit es ging. Und was Cocóton betrifft, so ist in diesen beiden Jahren gut für sie gesorgt worden.

Weitere Kostenlose Bücher