Der Azteke
fast genauso übel dran ist wie dein Mann Cozcatl.«
»Das ist schwer zu glauben«, sagte sie. »Sobald Motecuzóma zum Regenten ernannt worden war, hat er zwei Frauen genommen.«
»Dann sind sie vermutlich genauso unbefriedigt, wie du es zu sein scheinst.«
Ungeduldig schüttelte Kitzlig den Kopf. »Offenbar schafft er es immerhin, sie zu schwängern. Sie haben beide ein Baby. Und das ist mehr, als ich mir jemals erhoffen kann! Wäre ich die Frau des Verehrten Sprechers, könnte ich zumindest ein Kind empfangen. Aber ich bin nicht wegen Motecuzómas Frauen hergekommen. Ich gebe keinen kleinen Finger für Motecuzómas Frauen.«
»Ich auch nicht«, versetzte ich bissig. »Aber ich rate ihnen, sich an ihr eheliches Bett zu halten und nicht meines zu belagern.«
»Sei nicht herzlos, Mixtli!« sagte sie. »Wenn du nur wüßtest, was mich das gekostet hat! Fünf Jahre, Mixtli! Das fünf Jahre über mich ergehen zu lassen und immer so zu tun, als wäre ich befriedigt! Ich habe gebetet und Xochiquétzal Opfer dargebracht, habe sie angefleht, mir zu helfen, mich mit dem zufriedenzugeben, was mein Mann mir bieten kann. Aber es hilft nichts. Die Neugier quält mich unablässig! Wie ist das wirklich, mit einem richtigen Mann und einer Frau? Sich das ständig zu fragen, die Versuchung und Unentschlossenheit, und zuletzt die Erniedrigung, darum zu bitten.«
»Und da bittest du mich, ausgerechnet mich, meinen besten Freund zu betrügen? Und mich und die Frau meines besten Freundes in Gefahr zu bringen, zur Würgschlinge verurteilt zu werden?«
»Ich frage dich ja gerade deshalb, weil du sein bester Freund bist. Du würdest nie irgendwelche üblen Andeutungen fallen lassen, wie es irgendein anderer Mann möglicherweise täte. Selbst wenn Cozcatl irgendwann dahinterkäme – er liebt uns beide, dich und mich, viel zu sehr, um uns zu verraten!« Sie schwieg, um dann noch hinzuzufügen: »Wenn Cozcatls bester Freund es nicht tut, dann erweist er Cozcatl einen schlechten Dienst. Ich spreche die Wahrheit. Wenn du mich abweist, werde ich mich nicht weiter demütigen und mich an irgendeinen Mann aus unserem Bekanntenkreis wenden. Dann kaufe ich mir einen Mann für eine Nacht. Dann mache ich mich an irgendeinen Mann in einer Herberge heran. Überlege mal, was das für Cozcatl bedeuten würde.«
Ich überlegte es. Und dabei fiel mir ein, daß er mir einmal gesagt hatte, wenn diese Frau ihn nicht haben wolle, würde er seinem Leben irgendwie ein Ende setzen. Damals hatte ich ihm geglaubt, und ich glaubte immer noch, daß er genau das tun würde, wenn er jemals erführe, daß seine Frau ihn betrog.
Ich sagte: »Mal von all diesen Dingen abgesehen, Kitzlig – ich bin in diesem Augenblick dermaßen erledigt, daß ich keiner Frau Lust bereiten könnte. Du hast fünf Jahre gewartet. So kannst du auch noch warten, bis ich gebadet und geschlafen habe. Und du sagst selbst, wir hätten morgen noch den ganzen Tag. Geh jetzt nach Hause und überleg dir die Sache noch einmal genau. Und wenn du morgen immer noch entschlossen bist …«
»Das werde ich sein, Mixtli. Und werde morgen wieder hier sein.«
Ich rief Stern Sänger, er entzündete eine Fackel, und er und Kitzlig verschwanden in der Nacht. Ich war bereits ausgekleidet, hatte geschwitzt und lag in meinem Badebecken, als ich ihn zurückkommen hörte. Ich hätte ohne weiteres im Badebecken einschlafen können, nur wurde das Wasser so kalt, daß es mich zwang herauszusteigen. Folglich schleppte ich mich in meine Kammer hinüber, fiel auf mein Lager, zog die Decke über mich und machte mir nicht einmal mehr die Mühe, die Ölfunzel auszublasen, die Türkis angezündet hatte, so müde war ich.
Doch selbst in meinem tiefen Schlaf muß ich die stürmische Rückkehr der ungeduldigen Kitzlig halb freudig erwartet halb gefürchtet haben, denn meine Augen gingen im selben Augenblick auf, da auch die Tür meiner Schlafkammer aufging. Der Docht war ziemlich heruntergebrannt und erleuchtete den Raum nur noch schwach, doch zeigte sich das erste Grau der Morgendämmerung am Fenster, und was ich sah, ließ mir die Haare zu Berge stehen.
Ich hatte kein Geräusch unten vernommen, mich vor der unerwarteten und unglaublichen Erscheinung zu warnen – und ganz bestimmt würden Türkis oder Stern Sänger einen schrillen Schrei ausgestoßen haben, hätte einer von ihnen dieses ganz bestimmte Gespenst erblickt. Wiewohl für die Reise noch in Kopftuch und schweren Mantel aus Kaninchenfell gekleidet, wiewohl
Weitere Kostenlose Bücher