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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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dieser Art ging es weiter, unter der üblichen priesterlichen Mißachtung der Ausdauer, welche die Zuhörer aufbringen konnten, und die ganze Zeit über schmorte ich zusammen mit meinen Ritterkameraden und den vielen Mexíca-Adligen und den fremden Würdenträgern, welche mit ihren Edelleuten angereist gekommen waren – wir alle schwitzten und litten unter unseren Helmen und Federn und Fellen, unseren Kampfanzügen und anderen farbenprächtigen Gewändern. Die vielen tausend anderen Mexíca, welche sich im Herzen Der Einen Welt eingefunden hatten, trugen nichts Unbequemeres als Baumwollumhänge und haben die Krönungsfeierlichkeiten bestimmt mehr genossen als wir anderen.
    Der Priester sagte: »Motecuzóma Xocóyotzin, vom heutigen Tag an müßt Ihr Euer Herz zu dem Herzen eines alten Mannes machen, auf daß Ernst und Strenge darin wohnen, aber keine Leichtfertigkeit. Denn wisset, Hoher Gebieter, daß der Thron eines Uey-Tlatoáni kein sanftes Kissen ist, sich behaglich und lustvoll darauf zu rekeln, sondern vielmehr ein Sitz der Sorgen, der Arbeit und der Qual.«
    Ich bezweifle, daß Motecuzóma genauso schwitzte wie wir anderen, obwohl er zwei Umhänge trug, einen schwarzen und einen blauen, beide bestickt mit Totenschädeln und anderen Symbolen, welche ihn daran erinnern sollten, daß selbst ein Verehrter Sprecher eines Tages sterben muß. Ich bezweifle, daß Motecuzóma überhaupt jemals geschwitzt hat. Selbstverständlich habe ich seine Haut nie im Leben berührt, doch wirkte sie immer kühl und trocken.
    Und der Priester sagte: »Von diesem Tage an, Hoher Gebieter, müßt Ihr ein Baum großen Schattens sein, auf daß die Menschen Schutz finden unter Euren starken Ästen und sich auf die Kraft Eures Stamms verlassen können.«
    Die Krönung war feierlich und durchaus eindrucksvoll, vielleicht jedoch um ein Geringes weniger feierlich und eindrucksvoll als andere Krönungen, deren Zeuge ich in meinem Leben geworden war – die Krönungen von Axayácatl und Tixoc und Ahuítzotl –, denn Motecuzóma wurde eigentlich nur in einem Amt bestätigt, welches er inoffiziell bereits seit zwei Jahren bekleidete.
    Und der Priester sagte: »Jetzt, Hoher Gebieter, müßt Ihr Euer Volk regieren und verteidigen und gerecht behandeln. Die Bösen müßt Ihr bestrafen und die Ungehorsamen zurechtbiegen. Mit Eifer müßt Ihr die notwendigen Kriege führen. Euer besonderes Augenmerk gelte den Bedürfnissen der Götter, ihrer Tempel und ihrer Priester, auf daß es ihnen niemals an blutigen und unblutigen Opfern mangele. Dann werden die Götter mit Freude über Euch und Euer Volk wachen, und die Mexíca werden blühen und gedeihen.«
    Von dort aus gesehen, wo ich stand, schienen die sanft wogenden Federbanner, welche die Treppe der Großen Pyramide säumten, oben zusammenzulaufen, einem Pfeil gleich, welcher auf die hoch oben stehenden winzigen Gestalten unseres neuen Verehrten Sprechers und des altehrwürdigen Oberpriesters hinzuweisen schien, welcher ihm gerade in diesem Augenblick die edelsteingeschmückte rote Lederkrone aufs Haupt setzte. Endlich war der Priester fertig, und Motecuzóma ergriff das Wort:
    »Großer, hochgeehrter Priester! Eure Worte könnten von dem mächtigen Huitzilopóchtli selbst gesprochen worden sein. Eure Worte haben mir viel gegeben, darüber nachzudenken. Ich bete darum, mich des weisen Rates würdig zu erweisen, welchen Ihr mir habt zuteil werden lassen. Ich danke Euch für Euren leidenschaftlichen Ernst und die Liebe, mit welcher Ihr gesprochen habt. Wenn ich der Mann sein soll, den mein Volk sich wünscht, muß ich für immer Eurer weisen Worte eingedenk sein, Euren Warnungen und Ermahnungen …«
    Um bereit zu sein, am Schluß von Motecuzómas Rede die Wolken am Himmel erbeben zu lassen, hoben die Reihen der Priester ihre Muschelhörner, die Musikanten die Trommelschlegel, und hielten die anderen ihre Flöten bereit.
    Und Motecuzóma sprach: »Ich bin stolz, den geschätzten Namen meines verehrten Großvaters wieder auf den Thron zu bringen. Ich bin stolz darauf, Motecuzóma der Jüngere zu heißen. Und um das Volk zu ehren, welches zu führen ich aufgerufen bin – ein Volk, welches heute noch mächtiger ist als zu meines Großvaters Zeiten –, ist die erste Verfügung, welche ich erlasse, daß das Amt, welches ich bekleide, nicht länger Verehrter Sprecher der Mexíca genannt, sondern mit einem treffenderen Titel bezeichnet werde.« Er drehte sich um und wandte sich zum überfüllten Großen Platz

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