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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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hin, reckte den Stab aus Gold und Mahagoni in die Höhe und rief mit weithin hallender Stimme: »Fürderhin, mein Volk, wirst du regiert und verteidigt und zu noch größeren Höhen emporgeführt werden von Motecuzóma Xocóyotzin, Cem-Anáhuac Uey Tlatoáni.«
    Selbst wenn wir alle unten auf dem Platz durch die vielen Reden, die wir über uns hatten ergehen lassen müssen und welche nunmehr einen halben Tag andauerten, in den Schlaf gewiegt gewesen wären – wir wären erschrocken zusammengefahren bei diesem Geschmetter, welches scheinbar die ganze Insel erzittern ließ. Es war das gleichzeitige Aufbranden von Pfeifen und Flöten und Muschelhörnern sowie des unglaublichen Donners einiger zwanzig Trommeln, welche das Herz herausreißen. Doch die Musikanten hätten auch schlafen und ihre Instrumente stumm bleiben können; wir wären dennoch hellwach gewesen, mit solcher Wucht trafen uns die Worte, mit denen Motecuzóma seine Rede schloß.
    Die anderen Adlerritter und ich tauschten aus dem Augenwinkel heraus lange Blicke, und ich sah, daß die vielen Herrscher von auswärts gleichfalls finstere Blicke wechselten. Selbst den Gemeinfreien muß tief in die Knochen gefahren sein, was der neue Herrscher dort oben verkündet hatte, und keiner von ihnen kann sonderlich erbaut gewesen sein von der Kühnheit, die darin lag. Jeder Herrscher unseres Volkes war es bisher zufrieden gewesen, sich Uey-Tlatoáni der Mexíca zu nennen. Doch Motecuzóma hatte seinen Herrschaftsanspruch soeben in allen Himmelsrichtungen bis an den weitesten Horizont ausgedehnt.
    Er hatte sich selbst seinen neuen Titel zugelegt: Verehrter Sprecher Der Einen Welt.

    Ah, Euer Exzellenz kommen …
    Motecuzóma? Wie er war?
    Nun, der Hohe Gebieter Motecuzóma, an welch vergessenem Ort er heute auch ruhen mag, ist nichts weiter als ein verscharrter Haufen verwester Materie; vielleicht ist die Stelle nur dadurch zu erkennen, daß das Gras dort, wo er liegt, grüner sprießt als woanders. Mir scheint daß unserem Herrgott mehr daran gelegen ist, das Gras grün zu halten als die Erinnerung an die größten Edelleute.
    Ja, ja, Euer Exzellenz, ich höre schon auf mit meiner nutzlosen Sinniererei. Ich will mich im Geiste zurückversetzen, um Eure Neugier in bezug auf Wesensart und Charakter des Menschen Motecuzóma Yocóyotzin zu befriedigen.
    Denn ein Mensch war er, nichts weiter als ein Mensch. Wie ich schon sagte, war er etwa ein Jahr jünger als ich, was bedeutet, daß er fünfunddreißig Jahre alt war, als er den Thron der Mexíca bestieg – oder den der ganzen gesamten Einen Welt, wie er meinte. Er war für einen Mexícatl von durchschnittlicher Größe, hatte aber einen schlanken Körper, und sein Kopf war ein wenig zu groß, und dieses kleine Mißverhältnis ließ ihn irgendwie kleiner erscheinen, als er in Wirklichkeit war. Seine Haut var von einem schönen warmen Kupferton, die Augen leuchteten kalt, and wäre nicht die ein wenig platte Nase gewesen, deren Flügel etwas zu sehr in die Breite gingen – man hätte ihn durchaus schön nennen können.
    Bei seiner Krönung, als Motecuzóma den schwarzen und den blauen Jmhang der Demut ablegte, war er in überwältigend reich geschmückte Gewänder gekleidet, welche bereits den Geschmack verrieten, den er fürderhin beweisen sollte. Bei jedem öffentlichen Auftreten trug er ein Gewand, welches niemals in jeder Einzelheit einem anderen glich, doch was die Prächtigkeit betrifft, so blieben sie sich wohl immer gleich und ähnelte folgender, die ich jetzt beschreiben will:
    Er trug entweder einen Maxtlatl aus rotem Leder oder aus reich bestickter Baumwolle, dessen Schöße ihm vorn wie hinten bis unters Knie reichten. Dieses übertrieben weite Schamtuch, so vermute ich, trug er wohl, um jede zufällige Entblößung seines mißgebildeten Gemächts zu vermeiden, auf welches ich bereits angespielt habe. Seine Sandalen waren vergoldet und die Sohlen manchmal, wenn er nur dastehen oder nur wenige Schritte gehen mußte, sogar aus purem Gold. Meistens trug er eine ganze Reihe von Schmuckstücken: eine goldene Halskette mit einem Medaillon daran, welches den größten Teil seiner Brust bedeckte; eine Lippenscheibe in der Unterlippe aus einem Kristall, in dem die Feder eines Eisvogels eingeschlossen war; Ohrenpflöcke aus Jade und Gold mit buschigen Federn daran oder einen großen, bogenförmigen Kopfputz aus den armlangen Schwanzfedern des Quetzal-Tototl-Vogels.
    Das auffälligste an seinem ganzen Aufzug war der

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