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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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das Licht schwach war und wiewohl mir die Hand zitterte, als ich meinen Topas ans Auge hielt … es war Zyanya, die ich dort stehen sah.
    »Záa!« flüsterte sie leise, offensichtlich jedoch freudig erregt, und es war Zyanyas Stimme. »Du schläfst nicht, Záa.«
    Doch ich war mir sicher. Es mußte so sein. Ich sah das Unmögliche, und das war mir noch nie widerfahren, nur in meinen Träumen.
    »Ich habe nur kurz hereinschauen wollen. Ich wollte dich nicht stören«, sagte sie immer noch flüsternd – flüsternd, um mich den Schrecken weniger spüren zu lassen, wie ich annahm.
    Ich wollte sprechen, brachte jedoch keinen Laut über die Lippen – etwas, was mir bisher gleichfalls nur im Traum jemals geschehen war.
    »Ich gehe in die andere Kammer«, sagte sie. Sie fing an, den Schal abzunehmen, und tat das so langsam, als wäre sie müde von einer langen, unvorstellbar langen Reise. Ich dachte an die Hindernisse – die Berge, die sich aneinander rieben, den schwarzen Fluß in der schwarzen Nacht – und ein Schauder durchlief mich.
    »Ich hoffe, du hast nicht schlaflos auf meine Ankunft gewartet«, sagte sie, »als du meine Nachricht erhieltest.« Ihre Worte ergaben keinen Sinn, bis der Schal ganz herunterfiel und das schwarze Haar ohne den weißen Blitz darin zum Vorschein kam. »Selbstverständlich hätte es mir geschmeichelt«, fuhr Béu Ribé fort, »wenn die Nachricht von meinem Kommen dich nicht hätte schlafen lassen. Es würde mich freuen, wenn du so darauf brenntest, mich zu sehen.«
    Endlich fand ich meine Stimme wieder, und sie klang ganz heiser, als ich sagte: »Ich habe keine Nachricht erhalten! Wie kannst du es wagen, dich so heimlich in mein Haus zu schleichen? Wie kannst du es wagen, so zu tun als wärest du …?« Doch an dieser Stelle versagte mir die Stimme wieder; ich konnte sie nicht gut beschuldigen, absichtlich so aussehen zu wollen wie ihre verstorbene Schwester.
    Sie schien aufrichtig bestürzt und stammelte, als sie zu erklären versuchte: »Aber ich habe einen Jungen vorausgeschickt … ich habe ihm eine Kakaobohne gegeben, dich zu benachrichtigen. Dann hat er es nicht getan? Aber unten … Stern Sänger hat mich herzlich begrüßt. Und dich finde ich wach vor, Záa …«
    Ich knurrte: »Einmal hat Stern Sänger mich aufgefordert, ihn zu schlagen, und diesmal werde ich ihm den Gefallen tun.«
    Abermals folgte ein kurzes Schweigen. Ich wartete, daß mein wild pochendes Herz sich beruhigte und dieses Gefühl der Überraschung, des Schreckens und der Freude sich legte. Béu schien sich vor Verlegenheit zu winden und sich größte Vorwürfe wegen ihres Eindringens zu machen. Schließlich sagte sie, fast zu kleinmütig für sie: »Ich werde in der Kammer schlafen, in der ich auch früher geschlafen habe. Vielleicht … vielleicht bist du morgen weniger zornig, daß ich hier bin …« Und war aus meiner Kammer verschwunden, ehe ich irgend etwas darauf hätte erwidern können.
    Am Morgen hatte ich eine kleine Atempause von dem Gefühl, von Frauen belagert zu werden. Bis auf die beiden Sklaven, welche es mir vorsetzten, war ich beim Frühstück allein, und ich begann den Tag damit, daß ich knurrte: »Ich liebe keine Überraschungen vor Morgengrauen.«
    »Überraschungen, Herr?« sagte Türkis erschrocken.
    »Die unangemeldete Ankunft der Dame Béu.«
    Sie schien womöglich noch verblüffter, als sie sagte: »Die Dame Béu ist hier? Im Haus?«
    »Ja«, mischte Stern Sänger sich ein. »Für mich war es auch eine Überraschung, Herr. Aber ich nahm an, Ihr hättet nur vergessen, uns etwas davon zu sagen.«
    Wie sich herausstellte, war der Junge, den Béu als Boten geschickt hatte, nie eingetroffen, uns alle von ihrer unmittelbar bevorstehenden Ankunft zu unterrichten. Stern Sänger war davon wach geworden, daß draußen auf der Straße Lärm laut geworden war. Türkis war nicht einmal davon aufgewacht, er jedoch war aufgestanden, um die Besucherin einzulassen, und diese hatte ihm aufgetragen, mich nicht zu stören.
    »Da die Dame Wartender Mond mit einer Reihe von Lastträgern eintraf«, sagte er, »ging ich selbstverständlich davon aus, daß sie erwartet wurde.« Das erklärte, warum er nicht das Gefühl gehabt hatte, ein Gespenst vor sich zu haben, und warum er sie nicht fälschlich für Zyanya gehalten hatte wie ich. »Sie trug mir auf, Euch nicht zu wecken und überhaupt keinen Lärm zu machen, und hat gesagt, sie finde schon allein hinauf. Ihre Träger haben eine ganze Menge Gepäck gebracht,

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