Der Azteke
nicht einfache steinerne Halbbögen wie auf gewöhnlichen Spielplätzen. Sie bestanden genauso wie die Umfassungsmauern des Spielfelds aus feinstem Marmor, und waren gleich den hoch in der Mitte an den seitlichen Umfassungsmauern angebrachten Siegesringen reich beschnitzt, geglättet und mit leuchtenden Farben bemalt. Selbst der Ball war für dieses Wettspiel aus schmiegsamstem Óli geflochten und die sich überschneidenden Streifen abwechselnd blau und grün gefärbt.
Jeder der beiden Verehrten Sprecher trug ein gestepptes und weich gepolstertes Lederband um Stirn und Ohren, welches mit Riemen auf dem Kopf und unter dem Kinn festgehalten wurde; an Ellbogen und Knien schwere Lederschützer sowie fest um den Leib gewunden noch ein ausladend gestepptes Schamtuch, über welchem sie einen ledernen Hüftgürtel trugen. Die Kopfschützer prangten, wie ich schon gesagt habe, in den beiden Farben Tlalocs – blau für Nezahualpíli und grün für Motecuzóma –, doch selbst ohne diese Unterscheidungsmerkmale, ja, sogar ohne meinen Topas hätte ich die beiden Gegner mühelos auseinandergehalten. Der Körper Motecuzómas unter Polstern und Steppschutz war fest und glatt und muskulös. Der von Nezahualpíli war hager und sehnig, so daß man seine Rippen hervorstehen sah. Motecuzóma bewegte sich behende, gewandt und federnd wie Óli, und der Ball gehörte ihm von dem Augenblick an, da der Priester ihn in die Höhe geworfen hatte. Nezahualpíli bewegte sich steif und unbeholfen: es war ein Jammer mit anzusehen, wie er seinen flüchtigen Gegner zu jagen versuchte, gleichsam als wäre er Motecuzómas Schatten, der sich von diesem gelöst hatte und nun versuchte, ihn wieder einzufangen. Mir wurde ein harter Ellbogenstoß auf den Rücken versetzt; als ich mich umdrehte, erkannte ich den Herrn Cuitláhuac, Motecuzómas jüngeren Bruder und Oberbefehlshaber aller Mexíca-Heere. Höhnisch grinste er mich an; er war einer der Männer, gegen welche ich ein erkleckliches Gewicht an Gold auf Nezahualpíli gesetzt hatte.
Motecuzóma lief, sprang, glitt und flog dahin. Nezahualpíli stapfte und keuchte, und seine kahle Kopfhaut glänzte unter den Riemen seines Kopfschutzes vor Schweiß. Der Ball flog hin und her – jedoch stets von Motecuzóma zu Motecuzóma. Vom einen Ende des Spielfelds trieb er den Ball mit der Hüfte hart gegen die Mauer, vor der unentschlossen Nezahualpíli stand, und Nezahualpíli war nie schnell genug, ihn abzufangen, so daß der Ball im spitzen Winkel von dieser Mauer bis ans äußerste gegenüberliegende Ende des Spielfelds sprang; und irgendwie schaffte Motecuzóma es – was schier unmöglich schien – immer, zur Stelle zu sein und ihn abermals mit dem Ellbogen, dem Knie oder dem Gesäß zurückzuschlagen. Er schoß den Ball wie einen Pfeil durch dieses Torjoch, wie einen Speer durch jenes, wie ein Blasrohrgeschoß durch das nächste, und der Ball flog durch jedes der niedrigen Torjoche, ohne jemals eine Seite des Steins zu berühren und erzielte damit jedesmal ein Tor gegen Nezahualpíli, was selbstverständlich Beifallsgeklatsche aller Zuschauer mit Ausnahme von mir, Nochipa und Nezahualpílis Höflingen zur Folge hatte.
Das erste Spiel gewann Motecuzóma. Dieser sprang wie ein junger Rehbock vom Spielfeld, augenscheinlich nicht im mindesten ermüdet, ohne heftig zu atmen, trat zu seinen Betreuern, welche ihn abrieben und ihm einen erfrischenden Schokoladentrank reichten; hoffärtig stand er da und hoffärtig wartete er auf das nächste Spiel, während der mühselig sich dahinschleppende, schweißtriefende Nezahualpíli kaum den Ruheplatz zwischen seinen eigenen Betreuern erreichte. Nochipa drehte sich um und fragte mich:
»Werden wir jetzt arm sein, Vater?« Was der Herr Cuitláhuac hörte und worüber er sich ausschütten wollte vor Lachen; doch als das Spiel weiterging, sollte ihm das Lachen vergehen.
Noch lange hinterher stritten altehrwürdige Tlachtli-Spieler sich mit unterschiedlichen und sich widersprechenden Erklärungen über das, was hinterher geschah. Manche sagten, Nezahualpíli habe einfach das erste Spiel gebraucht, um Gelenke und Muskeln zu lockern. Andere hingegen behaupteten, Motecuzóma habe das erste Spiel so atemlos gespielt, daß er sich vollständig verausgabt hatte. Und es gab noch viele andere Theorien. Ich jedoch machte mir meine eigenen Gedanken. Ich kannte Nezahualpíli seit langer, langer Zeit, und ich hatte schon zu oft einen ähnlich hinfälligen, humpelnden und
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