Der Azteke
was ihr für mich getan habt, könnte es gar nicht zuviel sein. Ich habe aber noch den Beutel mit Kupferplättchen und Kakaobohnen, und das reicht für das, was ich jetzt vorhabe.«
»Was du jetzt vorhast?« wiederholte einer der alten Männer.
»Heute abend gebe ich das Kommando ab, und dies hier sind meine letzten Befehle für euch. Meine Freunde, ihr werdet von hier am Westufer des Sees entlangziehen und die Tecpanéca-Krieger in Tlácopan abliefern. Von dort aus werdet ihr über die Dammstraße nach Tenochtítlan ziehen, die Dame Béu nach Hause bringen und euch erst dann beim Verehrten Sprecher melden. Erzählt ihm die Geschichte, welche ihr euch ausgedacht habt, fügt jedoch hinzu, ich hätte mir eine Sühne für das Scheitern des Unternehmens auferlegt. Sagt ihm, ich begäbe mich freiwillig in die Verbannung.«
»Es wird getan werden, wie du befohlen hast, Mixtli«, erklärte Zornig Auf Jedermann, und die anderen drei murmelten ihr Einverständnis.
Nur Béu stellte eine Frage: »Wohin willst du ziehen, Záa?«
»Ich will einer Legende auf den Grund gehen«, sagte ich und erzählte ihnen die Geschichte, welche Nezahualpíli in meiner Gegenwart Motecuzóma erzählt hatte, und ich schloß: »Ich werde diesen langen Marsch nachvollziehen, welchen unsere Vorväter unternahmen, als sie sich noch Azteca nannten. Ich werde mich nach Norden wenden und ihrer Route folgen, so gut ich kann und so weit ich ihr zu folgen vermag … den ganzen Weg zurück bis in ihre Heimat Aztlan, falls es diesen Ort gibt oder jemals gegeben hat. Und wenn diese Wanderer unterwegs wirklich heimliche Waffen- und Vorratslager angelegt haben, werde ich auch die finden und auf einer Karte einzeichnen, wo sie zu finden sind. Eine solche Karte könnte für Motecuzóma eines Tages von größtem Nutzen sein. Versucht, das ihm gegenüber besonders herauszustreichen, wenn ihr ihm Meldung erstattet, Qualánqui.« Ich setzte ein klägliches Lächeln auf. »Möglich, daß er mich dann bei meiner Rückkehr mit Blumen willkommen heißt statt mit einer blumenumwundenen Würgschlinge.«
»Wenn du zurückkehrst«, wiederholte Béu.
Darüber vermochte ich nun nicht zu lächeln. Ich sagte: »Es will mir scheinen, als ob mein Tonáli mir noch immer bestimmt hätte zurückzukehren, freilich, jedesmal ein wenig einsamer.« Ich hielt inne und sagte dann zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch: »Eines Tages werde ich irgendwo einem Gott begegnen, und dann werde ich ihn fragen: Warum strecken die Götter nie mich nieder, wo ich doch soviel getan habe, ihren Zorn zu erregen? Warum strecken sie statt dessen jeden nieder, der mir nahegestanden und es nicht verdient hat?«
Den vier älteren Männern schien nicht recht wohl in ihrer Haut, sich meine bittere Klage anhören zu müssen, und sie schienen erleichtert, als Béu sagte: »Alte Freunde, würdet Ihr so freundlich sein, jetzt zu gehen, damit Záa und ich noch ein paar Worte unter vier Augen sprechen können?«
Sie erhoben sich, vollführten flüchtig die Geste des Erdeküssens, und als sie sich auf ihre Kammern begaben, sagte ich barsch: »Wenn du mich bitten willst, mich begleiten zu dürfen, Béu, bitte, sprich es nicht aus.«
Sie tat es nicht. Lange Zeit hindurch schwieg sie, schlug die Augen nieder und betrachtete ihre unruhig sich verschlingenden Finger. Zuletzt sprach sie doch, und ihre ersten Worte schienen nichts Besonderes zu bedeuten. »An meinem siebenten Geburtstag erhielt ich den Namen Wartender Mond. Früher habe ich mich oft gefragt, warum wohl. Doch dann habe ich es erfahren, weiß es jetzt seit Jahren und meine, Wartender Mond hat lange genug gewartet.« Sie hob ihre wunderschönen Augen auf und sah mich an, und irgendwie schaffte sie es, ihnen zur Abwechslung einmal nichts Spöttisches, sondern etwas Flehendes zu verleihen, ja, schaffte es sogar, jungfräulich zu erröten. »Laß uns jetzt endlich heiraten, Záa.«
Das also war es, sagte ich mir, und mir fiel wieder ein, daß sie verschiedentlich die Erde zusammengeklaubt hatte, wo ich mein Wasser abgeschlagen hatte. Früher, freilich nur für kurze Zeit, hatte ich überlegt, ob sie wohl ein Abbild von mir forme, um Unglück auf mein Haupt zu beschwören, und ob es wohl das war, was mich Nochipa gekostet hatte. Doch diesem Verdacht hatte ich nur flüchtig nachgehangen und mich sogar geschämt, diesen Gedanken überhaupt gedacht zu haben. Ich wußte, daß Béu meine Tochter von Herzen geliebt hatte, und ihre Tränen hatten bewiesen,
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