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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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unschuldigen Braut die üblichen Warnungen und dem vorgeblich allzu lüsternen Mann gegenüber die nicht minder üblichen vorsichtigen Ermahnungen auszusprechen. Infolgedessen war seine Ansprache ebenso kurz wie nichtssagend.
    Doch selbst dieses flüchtig-mechanische Ritual war imstande, in Béu Ribé Gefühle zu wecken, oder zumindest tat sie, als ob dem so wäre. Sie vergoß ein paar jungfräuliche Tränen und lächelte zaghaft durch diesen Tränenschleier hindurch. Ich muß zugeben, daß ihre Vorführung ihre ohnehin bereits überwältigende Schönheit noch erhöhte, welche, wie ich nie geleugnet habe, jener erhabenen Lieblichkeit ihrer verstorbenen Schwester in nichts nachstand und von dieser kaum zu unterscheiden war. Béu war außerordentlich reizvoll gekleidet, und als ich sie ohne Zuhilfenahme meines Topases betrachtete, kam sie mir immer noch genauso jugendlich vor wie meine für alle Zeiten zwanzigjährige Zyanya. Das war der Grund, warum ich in dieser Nacht zu wiederholten Malen dem Mädchen Feiner Regen beigewohnt hatte. Ich wollte auf keinen Fall Gefahr laufen, daß Béu es schaffte, mein Begehren zu wecken, nicht einmal rein körperlich, und so begab ich mich jeder Möglichkeit, gegen meinen Willen erregt zu werden.
    Zuletzt schwang der Priester ein letztes Mal sein qualmendes Weihrauchgefäß um uns. Dann sah er zu, wie wir uns gegenseitig einen Happen der dampfenden Tamáli in den Mund steckten und verknotete sodann einen Zipfel meines Umhangs mit einem Zipfel von Béu Ribés Rocksaum und wünschte uns alles Glück für unser neues Leben.
    »Ich danke Euch, Priester«, sagte ich und reichte ihm seinen Lohn. »Ich danke Euch besonders für die guten Wünsche.« Damit nestelte ich den Knoten auf, welcher mich an Béu band. »Es könnte sein, daß ich dort wohin ich jetzt ziehe, auf die Hilfe Eures Gottes angewiesen bin.« Damit warf ich mir mein Bündel über die Schulter und sagte Béu Lebewohl.
    »Lebewohl?« wiederholte sie, und das klang wie ein kurzer Aufschrei. »Aber Záa, es ist doch unser Hochzeitstag.«
    Ich sagte: »Ich habe dir gesagt, daß ich fortziehe. Meine Männer werden dich sicher nach Hause bringen.«
    »Aber – ich dachte – ich dachte, wir würden wenigstens noch eine Nacht hierbleiben. Um …« Sie blickte um sich, auf die wartenden Gäste, die uns ansahen und zuhörten. Ihr Gesicht übergoß sich mit flammendem Rot, und sie erhob ihre Stimme und sagte laut: »Záa, ich bin jetzt deine Frau.«
    Ich verbesserte sie: »Du bist jetzt, wie du es wolltest mit mir verheiratet und du wirst meine Witwe und meine Erbin sein. Zyanya war meine Frau.«
    »Zyanya ist aber schon über zehn Jahre tot.«
    »Ihr Tod hat das Band zwischen uns nicht aufgelöst. Ich kann keine andere Frau haben.«
    »Heuchler!« fuhr sie mich wütend an. »Du hast schließlich diese zehn Jahre hindurch nicht enthaltsam gelebt. Du hast andere Frauen gehabt. Warum willst du nicht die haben, welche du gerade eben geheiratet hast? Warum willst du mich nicht haben?«
    Bis auf den Herbergswirt, der ein verruchtes Grinsen aufgesetzt hatte, traten die anderen Menschen im Raum von einem Fuß auf den anderen und machten ein unbehagliches Gesicht. Das erging sogar dem Priester so, welcher sich immerhin dazu durchrang zu sagen: »Gebieter, es ist üblich, daß die Versprechen jetzt besiegelt werden mit einem … nun, damit, daß ihr einander richtig kennenlernt.«
    Ich erklärte: »Daß Ihr so denkt, spricht für Euch. Aber ich kenne diese Frau bereits allzu gut.«
    Empört erklärte Béu: »Wie kann man nur eine so abscheuliche Lüge aussprechen! Wir haben kein einziges Mal …«
    »Und werden es nie tun. Wartender Mond, ich kenne dich auf andere Weise gut genug. Ich weiß auch, daß ein Mann immer dann am verwundbarsten ist, wenn er sich mit einer Frau einläßt. Ich werde nicht riskieren, es soweit kommen zu lassen, um dann zu erleben, daß du mich voller Verachtung zurückweist oder in dein spöttisches Gelächter ausbrichst, oder mich auf irgendeine andere Weise kleinmachst, in welcher Kunst du dich seit so langer Zeit übst und vervollkommnest.«
    Sie rief: »Und was machst du mit mir in diesem Augenblick?«
    »Genau das gleiche«, räumte ich ein. »Doch diesmal, meine Liebe, bin ich dir zuvorgekommen. Doch es wird spät und ich muß fort.«
    Als ich ging, tupfte Béu sich die Augen mit dem zerknüllten Saum ihres Rocks, welcher unser Eheknoten gewesen war.

    Um den Auszug meiner Ahnen aus dem Norden zurückzuverfolgen,

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