Der Azteke
Ihr warten, bis er eine von diesen Donner-Kanonen in Euer Ohr abfeuert?« wollte Cuitláhuac hochfahrend wissen. »Offenbar hat er doch keine Ahnung davon, daß es bei uns Sitte ist, so etwas geziemend anzukündigen. Vielleicht geschieht das bei den weißen Männern einfach durch anmaßende und herausfordernde Worte, so wie er es getan hat. Laßt uns daher diesem Emporkömmling beibringen, was sich gehört. Schicken wir ihm ein symbolisches Geschenk von Waffen und Bannern. Dann laßt uns zur Küste ziehen und das unerträgliche Großmaul zurückdrängen ins Meer.«
»Beruhige dich, Bruder!« sagte Motecuzóma. »Bis jetzt hat er noch niemand belästigt als die erbärmlichen Totonáca, und auch ihnen gegenüber hat er nur Lärm gemacht. Was mich betrifft, kann dieser Cortés für alle Ewigkeit an dieser Küste stehen, sein Gefieder spreizen und große Töne spucken. Wir jedenfalls – solange er nicht wirklich etwas unternimmt-, wir werden warten.«
IHS
S.C.C.M.
SEINER ALLERKATHOLISCHSTEN MAJESTÄT, KAISER KARL V., UNSEREM ALLERDURCHLAUCHTIGSTEN KÖNIG UND HERRN:
Geschätzte Majestät, unser Königlicher Herr: aus der Stadt Mexíco, Hauptstadt Neuspaniens, am Vorabend des Auferstehungsfestes im Jahre des Herrn eintausendfünfhundertundzweiunddreißig, entbieten wir Euch unseren alleruntertänigsten Gruß.
Da wir von Eurer Erhabenen Majestät keine Anweisung erhalten haben, die Erstellung dieser Chronik abzubrechen, und da sie uns mit den folgenden Seiten endlich vollständig zu sein scheint, und sintemalen der Erzähler, der Azteke, selbst erklärt, er habe nunmehr nichts mehr zu sagen, fügen wir hiermit das letzte und abschließende Konvolut bei.
Ein großer Teil dessen, was der Indianer über die Eroberung und das zu berichten hat, was hernach geschah, wird Euer Alleslesende Majestät aus den Berichten bekannt sein, welche der Capitán-General Cortés und andere Offiziere geschickt, so Aufzeichnungen über die Geschehnisse gemacht haben, an welchen sie persönlich teilgenommen. Wenn nichts anderes, so wird durch die Erzählung unseres Azteken jene prahlerische und bis zum Überdruß wiederholte Behauptung des Capitán-General widerlegt, nur »er und eine Handvoll tapferer castilischer Soldaten« habe diesen ganzen Erdteil ohne jede fremde Hilfe erobert.
Jetzt, wo wir und Ihr, Sire, diese Geschichte vollständig vor uns haben, und über sie nachdenken können, stellt sich wohl über jeden Zweifel erhaben heraus, daß sie keineswegs das ist, was Euer Majestät im Auge hatten, als Ihr befahlt, damit zu beginnen. Wir brauchen wohl kaum noch einmal darauf hinzuweisen, wie unzufrieden wir mit dem waren, als was sie sich zuletzt erwies. Gleichwohl, wenn sie jedenfalls einigermaßen aufschlußreich war für unseren höchsten Souverän, oder in ihrer Fülle von abstrusen Einzelheiten und Hintergründen auch nur im geringsten erbaulich, werden wir uns sagen, daß unsere Geduld und Nachsicht sowie die unendlichen Mühen unserer Mönchs-Schreiber nicht umsonst gewesen sind. Wir bitten, daß Euer Majestät in Nachahmung des gütigen Herrn im Himmel nicht den kläglichen Wert der zusammengetragenen Bände sehen möge, sondern die Redlichkeit, mit welcher wir ans Werk gingen und den Geist, in welchem wir es darbieten; und daß Ihr es und uns mit Nachsicht betrachten möget.
Des weiteren möchten wir, ehe wir nunmehr davon Abstand nehmen, die Dienste des Azteken noch weiter in Anspruch zu nehmen, wissen, ob Euer Majestät wünschen, daß wir ihn noch um zusätzliche Informationen oder um Zusätze zu seinem bereits umfangreichen Bericht befragen? Sollte das der Fall sein, werden wir dafür sorgen, daß er weiterhin zur Verfügung steht. Doch wenn Ihr keine weitere Verwendung für besagten Azteken habt, Sire, würdet Ihr uns dann das Vergnügen bereiten zu befehlen, was wir jetzt mit ihm anfangen sollten; oder ziehen Euer Majestät es vor, daß wir es einfach Gott überlassen, darüber zu entscheiden, was ihm zusteht?
Daß bis dahin wie zu aller Zeit die Gnade Gottes ständig auf der Seele Eurer Preisenswerten Majestät ruhen möge, ist das ständige Gebet Eures S.C.C.M. ergebenen Dieners,
(ECCE SIGNUM) ZUMÁRRAGA
Ultima Pars
Wie ich euch schon gesagt habe, meine Herren Skribenten, bedeutete der Name unseres elften Monds, Ochpaniztli, Das Fegen Der Straße. In diesem Jahr gewann dieser Name insofern eine neue und unheimliche Bedeutung, als gegen Ende eben dieses Monds die Regenzeit nachließ und Cortés seinen Marsch ins
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