Der Azteke
Bergen anzugreifen, von denen sie so viele hatten. Statt dessen entschloß sich Xicoténcas Sohn und Kriegsführer, Xicoténca der Jüngere, sich den weißen Männern ausgerechnet auf einer der wenigen Ebenen ihres Gebietes entgegenzuwerfen. Er stellte seine Truppen auf die traditionelle Weise auf und bereitete sich auf einen traditionellen Kampf vor – bei dem die beiden Gegner ihre Streitkräfte antreten ließen, die traditionellen Formalitäten erfüllten, um dann gegeneinander vorzustürmen und Menschenkraft sich mit Menschenkraft messen zu lassen. Xicoténca mag zwar gehört haben, daß dieser neue Gegner mehr als menschliche Kräfte besitze; aber er wußte nicht, daß dieser neue Feind keinen kleinen Finger um die Traditionen und feststehenden Kriegsregeln unserer Welt gab.
Wie wir später in Tenochtítlan erfuhren, marschierte Cortés am Rande dieser Ebene aus einem Wald heraus und führte seine vierhundertundfünfzig weißen Soldaten sowie die inzwischen auf rund dreitausend Krieger der Totonáca und anderer Stämme angewachsene Streitmacht an. Nun sah er sich auf der anderen Seite des Schlachtfeldes einer gewaltigen Mauer von Texcaltéca gegenüber, mindestens zehntausend von ihnen; in manchen Berichten hieß es, es seien bis zu dreißigtausend gewesen. Selbst wenn Cortés aufgrund der Krankheit seiner Mutter wahnsinnig gewesen wäre, wie behauptet wird, er hätte gleichwohl erkannt, welch furchtbarem Gegner er gegenüberstand. Sie waren in ihre gelben und weißen gesteppten Kampfanzüge gekleidet. Sie trugen ihre vielen großen Federbanner, abwechselnd mit dem weißgeflügelten goldenen Adler von Texcála und dem weißen Reihersymbol Xicoténcas geschmückt. Drohend schlugen sie auf ihre Kriegstrommeln und spielten auf ihren schrillen Kriegsflöten. Ihre Speere und Maquáhuime blitzten hell von dem sauberen schwarzen Obsidian, welcher danach dürstete, gerötet zu werden.
Cortés muß inzwischen gewünscht haben, er hätte bessere Verbündete als seine Totonáca mit ihren Waffen, welche in der Hauptsache aus Schwertfischschnauzen und gespitzten Knochen bestanden, ihren ungefügen Schilden, welche nichts anderes waren als die Panzer von Wasserschildkröten. Doch wenn Cortés sich überhaupt Sorgen machte, war er zumindest überlegen genug, seine fremdländischste Waffe noch verborgen zu halten. Die Texcaltéca sahen nur ihn und diejenigen seiner Streitmacht, welche zu Fuß gingen. Sämtliche Pferde, sein eigenes eingeschlossen, waren noch im Wald und blieben dort den Blicken der Verteidiger von Texcála verborgen.
Der Tradition gemäß traten etliche Texcaltécatl-Edelleute aus den Gliedern ihrer Truppen hervor, überquerten die grüne Ebene zwischen den beiden Heeren und überbrachten feierlich die symbolischen Waffen – Federumhänge und Schilde –, um zu verkünden, daß nunmehr Kriegszustand herrsche. Cortés zog diese Zeremonie absichtlich in die Länge und ließ sich ihre Bedeutung erklären. Ich sollte hier vielleicht erwähnen, daß Aguilar jetzt nur noch selten als Zwischendolmetsch gebraucht wurde; die Frau, Malintzin, hatte sich eifrig bemüht, Spanisch zu lernen und dabei große Fortschritte gemacht; schließlich ist das Bett immer noch der beste Ort, eine Sprache zu erlernen. Folglich gab Cortés, nachdem er die Kriegserklärung der Texcaltéca angenommen hatte, selber eine ab, indem er eine Schriftrolle entrollte und sie verlas, während Malintzin den wartenden Edelleuten dolmetschte. Ich kann sie aus der Erinnerung wiederholen, denn selbige Proklamation ließ er vor jedem Dorf, jeder Stadt und jedem Volk verkünden, welches sich seinem Näherrücken widersetzte. Erst verlangte er, ungehindert einziehen zu dürfen, und dann sagte er:
»Erklärt ihr euch jedoch nicht einverstanden, werde ich mit Gottes Hilfe den Durchmarsch erzwingen. Ich werde mit der äußersten Gewalt gegen euch vorgehen. Ich werde euch unter das Joch unserer Heiligen Kirche und unseres Königs Carlos zwingen. Ich werde eure Frauen und Kinder nehmen und zu Sklaven machen oder sie verkaufen, je nachdem, wie es Seiner Majestät gefällt. Ich werde euren Besitz nehmen und euch alles Böse zufügen, was in meiner Macht steht und euch als aufrührerische Untertanen betrachten, welche sich niederträchtig weigern, sich ihrem rechtmäßigen Souverän zu unterwerfen. Daher geht alles Blutvergießen und alles Leid zu euren Lasten und nicht zu Lasten Seiner Majestät oder zu meinen Lasten oder zu Lasten der Herren, die unter mir
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