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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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erstatten. Die weißen Männer waren hungrig auf Gold, aber die Geschenke des Verehrten Sprechers haben diesen Hunger nicht gestillt, sondern ihnen höchstens noch mehr Appetit gemacht. Wenn diesem Schiff gestattet wird auszulaufen, mit den Beweisen an Bord, daß es hier Gold gibt, kann uns nichts davor bewahren, von mehr und immer mehr goldgierigen weißen Männern überschwemmt zu werden. Aber das Schiff besteht aus Holz. Ihr braucht nur nachts ein paar gute Mexíca-Krieger in Kanus auf die Bucht hinauszuschicken. Sie können so tun, als fischten sie bei Fackellicht und nahe genug herankommen, um das Schiff in Brand zu stecken.«
    »Und dann?« Motecuzóma biß sich auf die Unterlippe. »Dann wäre Cortés mit seinen Mannen vollständig von seiner Heimat abgeschnitten. Dann würden sie sich mit Bestimmtheit hierher in Marsch setzen – und bestimmt nicht in friedlicher Absicht, jedenfalls nicht nach einem feindseligen Akt dieser Art von unserer Seite.«
    »Verehrter Sprecher«, sagte ich mißmutig, »sie werden ohnehin kommen, gleichgültig, was wir tun oder nicht tun. Und sie werden mit ihren zahmen Totonáca kommen, ihnen den Weg zu zeigen, ihre Vorräte für unterwegs zu tragen, zu gewährleisten, daß sie lebendig über die Bergpässe hinüberkommen und ihre Begegnungen mit anderen Völkern unterwegs überleben. Doch auch das können wir verhindern. Ich habe mir das Gelände unterwegs genau angesehen. Es gibt nur ganz bestimmte Wege, um von der Küste zu den höher gelegenen Landen hinaufzugelangen, und alle diese Wege führen durch tiefe und enge Schluchten. An diesen Stellen werden die Pferde und die Hakenbüchsen den weißen Männern nicht viel nützen und schützt auch ihr Metallpanzer sie nicht. Ein paar gute Mexíca-Krieger, die an diesen Pässen Posten beziehen, brauchen nichts weiter als Felsbrocken, um jeden einzelnen Mann von ihnen zu zermalmen.«
    Abermals erhob sich auf meinen Vorschlag hin ein Chor von entsetzten Ausrufen, die Mexíca sollten aus dem Hinterhalt angreifen wie die Wilden. Trotzdem fuhr ich fort lauter sogar als zuvor:
    »Wir müssen ihrem Eindringen ein Ende setzen, gleichgültig, welche häßlichen Mittel wir einsetzen. Hauptsache, sie wirken; sonst bleibt uns keine Hoffnung, weiteren Invasionen zu entgehen. Möglich, daß dieser Mann Cortés wahnsinnig ist – zumindest hat er uns unsere Aufgabe erleichtert. Er hat bereits zehn von seinen Schiffen verbrannt, so daß wir nur noch eines zu zerstören brauchen. Wenn dieses Botenschiff niemals zu König Carlos zurückkehrt, wenn kein weißer Mann am Leben bleibt oder imstande ist, sich auch nur ein Floß zu zimmern, um zu entkommen, wird König Carlos niemals erfahren, was aus dieser Expedition geworden ist. Vielleicht glaubt er dann, daß sie immer weiter gefahren sind, ohne jemals Land zu finden, oder daß sie auf einem der Meere verschwunden sind, wo ständig Stürme herrschen, oder daß sie von einem überaus mächtigen Volk vernichtet wurden. Wir könnten dann hoffen, daß er nicht noch einmal eine Expedition ausschickt.«
    Lange herrschte tiefes Schweigen im Thronsaal. Keiner wollte der erste sein, etwas dazu zu sagen, und ich bemühte mich, zumindest nach außen hin Ruhe zu bewahren. Zuletzt war es dann Cuitláhuac, der sagte: »Das klingt nach einem brauchbaren Vorschlag, Herr Bruder.«
    »Ungeheuerlich klingt das!« murmelte Motecuzóma. »Erst das Schiff der Fremden zerstören und sie dadurch geradezu aufstacheln, weiter ins Inland vorzustoßen, und dann heimtückisch über sie herzufallen, wenn sie sich nicht wehren können. Darüber muß gründlich nachgedacht werden; wir müssen uns mit den Göttern beraten.«
    »Verehrter Sprecher!« sagte ich drängend, verzweifelt. »Es könnte sein, daß das Botenschiff gerade in diesem Augenblick seine Flügel ausbreitet.«
    »Was nur auf den Willen der Götter hindeuten würde«, sagte er unerschütterlich, »daß es abfährt. Unterlaß es bitte, deine Hände in meine Richtung zu öffnen und zu schließen!«
    Meine Hände wollten ihn wirklich erwürgen, doch zwang ich sie, nur eine resignierte Geste zu machen, um anzudeuten, daß ich die Ablehnung meines Vorschlags annähme.
    Laut dachte er nach: »Wenn der König Carlos nicht mehr von seinen Leuten hört und annimmt, daß sie in Gefahr schweben, könnte es sein, daß dieser König nicht zögert, Rettungsmannschaften und Verstärkungen auszuschicken. Unzählige Schiffe vielleicht, welche unzählige weiße Männer bringen. Wenn man

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