Der Azteke
Landesinnere antrat, wie er es angedroht hatte. Er ließ seine Seeleute und einige wenige seiner Soldaten zurück, um seine Garnisonsstadt Villa Rica de la Vera Cruz besetzt zu halten, und zog mit etwa vierhundertundfünfzig weißen Soldaten und rund eintausenddreihundert bewaffneten und kriegsmäßig ausgerüsteten Totonáca-Kriegern in westlicher Richtung auf die Berge zu. Außerdem begleiteten ihn noch weitere tausend Totonáca, welche ihm als Tamémime dienten und Ersatzwaffen, die auseinander gebauten Kanonen und die schweren Kanonenkugeln, Marschverpflegung und dergleichen trugen. Unter diesen Trägern befanden sich etliche von Motecuzómas Mäusen, die sich mit anderen unterwegs wartenden Quimíchime in Verbindung setzten und uns in Tenochtítlan über die Zusammensetzung und das Vorrücken der Fremden unterrichtet hielten.
Cortés führe, so berichteten sie, die Kolonne an. Er trage seine schimmernde Metallrüstung und reite ein Pferd, das er spöttisch und liebevoll zugleich Mauleselin nenne. Sein anderer lebendiger Besitz – Malintzin – trage sein Banner und schreite stolz neben seinem Sattel an der Spitze des Zuges einher. Nur noch einige wenige der anderen Offiziere hätten ihre Frauen mitgebracht, denn selbst die niedrigsten weißen Soldaten erwarteten, daß man ihnen unterwegs andere Frauen gebe oder sie sich welche nehmen könnten. Dafür hätten sie sämtliche Pferde und Hunde mitgenommen, wiewohl diese Reittiere, wie die Quimíchime berichteten, auf den Bergpfaden nur sehr langsam und unter Mühen vorankämen und oft störrisch seien. Außerdem ziehe Tlaloc seine Regenzeit in den Bergen noch in die Länge, der Regen sei kalt, komme in Sturmböen und sei oft mit Hagel durchsetzt. Da die Reisenden unter Nässe und Kälte litten, genossen sie ihre Reise kaum.
»Ayyo!« sagte Motecuzóma hocherfreut. »Sie finden das Landesinnere nicht so wirtlich wie die Heißen Lande. Jetzt werde ich ihnen meine Zauberer entgegenschicken, auf daß sie ihnen das Leben noch unbehaglicher machen.«
Cuitláhuac sagte ingrimmig: »Es wäre besser, Ihr ließet mich Krieger nehmen und ihnen das Leben unmöglich machen!«
Motecuzóma sagte immer noch Nein. »Ich möchte den Anschein von Freundschaftlichkeit solange aufrechterhalten, wie dies unseren Zwecken dient. Sollen doch die Zauberer dem Zug mit ihren Flüchen und Beschwörungen zusetzen, bis die weißen Männer aus eigenem Antrieb wieder umkehren, ohne zu wissen, daß es unser Werk war. Sollen sie doch ihrem König berichten, das Land sei ungesund und undurchdringlich, gleichwohl jedoch nichts Schlechtes über uns berichten.«
Folglich schwärmten die Hofzauberer in der Verkleidung gewöhnlicher Reisender nach Osten aus. Nun, Zauberer vermögen zwar viele merkwürdige und erstaunliche Dinge zu vollbringen, zu welchen gewöhnliche Menschen nicht fähig sind, doch die Behinderungen, welche sie Cortés in den Weg legten, erwiesen sich als jämmerlich unwirksam. Als erstes spannten sie auf dem Weg vor den Anrückenden dünne Fäden, an denen blaue Papiere mit geheimnisvollen Zeichen flatterten. Wiewohl diese Hindernisse außer für die Zauberer selbst als unüberwindlich galten, zerriß Cortés' Pferd an der Spitze des Zuges sie voller Gleichmut; weder Cortés noch irgend jemand sonst schien sie überhaupt bemerkt zu haben. Woraufhin die Zauberer nach Tenochtítlan meldeten, nicht sie hätten versagt, sondern die Pferde seien mit irgendeiner Zauberkraft begabt, gegen welche diese besondere List nichts ausrichte.
Als nächstes trafen sie sich heimlich mit den Quimíchime, welche unerkannt in der Kolonne mitmarschierten, und ließen durch diese Mäuse etwas Ceiba-Saft und Tonaltin-Früchte unter das Essen der weißen Männer mischen. Der Saft des Ceiba-Baums macht jeden, der davon genießt, so heißhungrig, daß er gierig alles ißt, was ihm in die Hände fällt oder zwischen die Zähne kommt, bis er binnen weniger Tage so dick wird, daß er sich nicht mehr bewegen kann. Zumindest behaupteten das die Zauberer; ich selbst bin nie Zeuge dieses Phänomens gewesen. Doch die Tonal-Frucht bewirkt nachweislich Böses, wenn auch nicht auf so spektakuläre Weise. Bei der Tonal-Frucht handelt es sich um das, was Ihr Feigenkaktus nennt, die Frucht des Nopáli-Kaktus, und die ersten Spanier, welche in unsere Lande kamen, verstanden nicht, sie sorgfältig zu schälen, ehe sie in sie hineinbissen. Infolgedessen erwarteten die Zauberer, daß die weißen Männer die feinen,
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