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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Mal abfeuern; ihnen blieb keine Zeit, wieder zu laden, da fielen unsere eindringenden Krieger auch schon über sie her. So wurde jeder weiße Mann und Texcaltécatl im Palast getötet oder gefangengenommen, und wir selbst erlitten dabei nur leichte Verluste. Unsere Krieger hingegen, welche draußen auf Dem Herzen Der Einen Welt kämpften, waren nicht so bald oder nicht so vollständig siegreich. Schließlich waren sämtliche Spanier und ihre Texcaltéca-Bundesgenossen tapfere Männer und ausgebildete Soldaten. Nachdem sie sich von ihrer ersten Überraschung erholt hatten, wehrten sie sich. Die Texcaltéca waren genauso bewaffnet wie wir, und die weißen Männer waren, selbst wenn sie ihre Hakenbüchsen nicht gebrauchen konnten, mit Säbeln und Speeren bewaffnet, welche den unseren überlegen waren.
    Wiewohl ich nicht dabei war, kann ich mir die Szene lebhaft vorstellen: es muß ausgesehen haben, als ob in unserer Mictlan oder in eurer Hölle ein Krieg ausgebrochen wäre. Der riesige Platz war von den Resten der Lagerfeuer nur spärlich beleuchtet, und diese Glut stob immer wieder in Funken auseinander, wenn Männer oder Pferde durch sie hindurchpreschten. Der Regen fiel immer noch und breitete einen Schleier über alles, was verhinderte, daß eine Gruppe von Kämpfern sah, wie es ihren Kameraden anderswo erging. Über dem ganzen Marmorpflaster lagen wild verstreut Bettzeug und Gerät der Spanier. Die Reste des Abendessens, die Gefallenen und das Blut machten den Marmor womöglich noch schlüpfriger, als er ohnehin schon war. Das Blitzen von Stahlsäbeln, kleinen Stahlschilden und bleichen Gesichtern stand im Gegensatz zu den nackten, jedoch weniger sichtbaren Körpern unserer kupferhäutigen Krieger. Auf den Stufen der Großen Pyramide fanden Zweikämpfe statt, die Kämpfe wogten in den vielen Tempeln hin und her und entspannen sich unter den gelassenen Blicken der blicklosen Augen des Schädelgerüsts. Was die ganze Schlacht noch unwirklicher machte, war, daß die in Panik geratenen Pferde immer noch durcheinanderliefen, hochstiegen und auskeilten. Die Schlangenmauer war zu hoch für sie, sie konnten nicht hinübersetzen, doch gelegentlich fand eines der Tiere durch Zufall einen der Durchlässe in der Mauer und entfloh in die Straßen der Stadt.
    An einem Punkt machte eine Anzahl weißer Männer kehrt und zog sich in eine Ecke des Platzes zurück, während eine Reihe ihrer Kameraden ihre Schwerter schwang, um unsere Männer davon abzuhalten, hinter ihnen herzusetzen – und dieser scheinbare Rückzug erwies sich als kluges Täuschungsmanöver. Die Fliehenden hatten im Laufen alle Hakenbüchsen an sich genommen und schafften es in dieser kurzen Pause, trockenes Pulver auf die Pfannen zu schütten, traten vor und feuerten ihre tödlichen Geschosse alle auf einmal in die Menge unserer Krieger hinein, welche sie bedrängt hatten, und viele von unseren Männern gingen in dieser einen Salve tot oder verwundet zu Boden. Doch ließen sich die Hakenbüchsen nicht so schnell wieder laden, wie unsere Männer vorwärts stürmten. Danach wurde nur noch mit Steinwaffen gegen Stahlwaffen gekämpft.
    Ich habe keine Ahnung, woran Cortés merkte, daß etwas mit dem Heer, welches er führerlos zurückgelassen hatte, nicht stimmte. Vielleicht kam eines der freigelassenen Pferde durch die Straßen auf ihn zugeprescht; vielleicht war es auch einem Soldaten gelungen, sich aus dem Kampfgetümmel zu entfernen; oder vielleicht war es auch die eine laute Salve, welche er hörte. Was ich jedoch weiß, ist, daß er und seine Kolonne die Dammstraße nach Tlacópan erreichten, ehe sie wußten, daß irgend etwas schief ging. Er brauchte nur einen Moment, um zu entscheiden, was er tun sollte, und wenn auch später niemand berichten konnte, wie genau die Worte lauteten, die er sagte – was er beschloß, war folgendes: »Wir können den Schatz nicht hierlassen. Laßt uns machen, daß wir ihn aufs Festland hinüberschaffen und dann zurückeilen.«
    Inzwischen war die Hakenbüchsensalve auch überall auf den nähergelegenen Ufern des Sees gehört worden – von den dort lagernden Truppen von Cortés genauso wie von unseren wartenden Bundesgenossen. Cuitláhuac hatte unsere Festlandstruppen angewiesen, auf die Mitternachtshörner zu warten, doch waren sie so klug, sich sofort in Bewegung zu setzen, als sie den Kampfeslärm hörten. Cortés' Truppen hingegen waren ohne Anweisungen. Sie müssen bei dem plötzlichen Lärm gleichfalls aufgesprungen und

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