Der Azteke
hellwach gewesen sein, wußten jedoch nicht, was tun. Genauso hatten auch die weißen Männer an den Kanonen, welche um den See herum aufgestellt worden waren, diese geladen und auf ihr Ziel eingestellt, konnten jedoch ihre Geschosse kaum in die Stadt hinüberschicken, in welcher ihr Capitán-General und die Mehrzahl ihrer Kameraden sich aufhielten. Deshalb nehme ich an, daß die Festlandstruppen von Cortés einfach unentschlossen dastanden und erschrocken zu der im Regen gerade eben noch sichtbaren Insel hinüberblickten, als sie von hinten angegriffen wurden.
Hinter dem gesamten westlichen Bogen des Seeufers erhoben sich die Heere des Dreibunds. Wiewohl viele von ihren besten Kriegern in Tenochtitlan waren und zusammen mit unseren Mexíca kämpften, standen immer noch große Mengen guter Kämpfer auf dem Festland. Selbst aus dem fernen Süden, aus den Xochimilca- und Chalca-Landen waren insgeheim Truppen nach Norden verlegt und für diesen Augenblick zusammengezogen worden. Jetzt fielen sie über Prinz Schwarz Blumes Acólhua her, welche ihr Lager bei Coyohuácan aufgeschlagen hatten. Auf der anderen Seite der See-Enge griffen die Culhua Cortés' Totonáca-Truppen an, welche auf der vorspringenden Landzunge in Ixtapalápan lagerten. Die Tecpanéca erhoben sich gegen die Texcaltéca, welche ihr Lager bei Tlacópan hatten.
Etwa um die gleiche Zeit beschlossen die Spanier im Herzen Der Einen Welt das vernünftigste, was sie tun konnten: zu fliehen. Einer von ihren Offizieren fing ein Pferd ein, das durchs Lager galoppierte, schwang sich ihm auf den Rücken und fing an, auf spanisch etwas zu rufen. Was genau er rief, weiß ich nicht, doch lief es auf den Befehl: »Sammelt euch und folgt Cortés!« hinaus. Damit hatten die noch am Leben gebliebenen weißen Männer endlich ein Ziel. Sie kämpften sich aus allen Ecken des Platzes frei, in welche sie getrieben worden waren, und schafften es, einen dichten Haufen zu bilden, welcher von scharfem Stahl nur so starrte. Wie ein kleines Stachelschwein sich zusammenrollt und seine Stacheln ausstreckt, denen nicht einmal ein Kojote etwas anhaben kann, wehrten die Spanier die wiederholten Angriffe unserer Männer ab.
Den Anweisungen folgend, die der eine Mann auf dem Pferd ihnen zurief, bewegte dieser waffenstarrende Haufen sich zurück auf die westliche Öffnung in der Schlangenmauer. Dabei gelang es mehreren von ihnen, noch Pferde einzufangen und sich auf sie zu schwingen. Als all diese weißen Männer und die Texcaltéca vom Großen Platz verschwunden waren und auf dem Weg nach Tlácopan waren, bildeten die berittenen Soldaten die Nachhut. Mit geschwungenen Säbeln und den auskeilenden Hufen der Pferde schafften sie es, unsere sie verfolgenden Krieger lange genug aufzuhalten, daß es den Fußsoldaten gelang, in die Richtung zu fliehen, welche Cortés eingeschlagen hatte.
Cortés muß ihnen auf dem Weg zurück in die Stadt begegnet sein, denn selbstverständlich waren er und seine Schatzkolonne nur bis zu dem Punkt auf der Dammstraße gekommen, wo die erste Kanudurchfahrt diese unterbrach und wo sie sahen, daß die sie überspannende Brücke entfernt worden war, so daß sie nicht hinüber konnten. Infolgedessen ritt Cortés allein zur Insel zurück und stieß dort auf die fliehenden Reste seines Heeres, welche ihre Feinde verfluchten, über ihre Wunden stöhnten und alle um ihr Leben liefen. Nicht weit hinter ihnen hörte er das Kriegsgeschrei unserer sie verfolgenden Krieger, welche immer noch versuchten, sich an den sie aufhaltenden Reitern vorbeizukämpfen.
Ich kenne Cortés und weiß, daß er sich nicht erst lange damit aufhielt sich im einzelnen erklären zu lassen, was geschehen war. Er muß diesen Männern gesagt haben, sie sollten dort Stellung beziehen, wo die Dammstraße auf die Insel stieß, und den Feind so lange wie möglich aufhalten. Denn er galoppierte augenblicklich wieder den Damm zurück, wo Alvarado und Narváez und die anderen Soldaten warteten, und schrie ihnen zu, sie sollten den Schatz in den See schütten, die Schlitten freimachen und sie dann über die Durchfahrt schieben, um eine behelfsmäßige Brücke zu bilden. Ich kann wohl behaupten, daß von Alvarado hinunter bis zum einfachsten Fußsoldaten alle in ein Protestgeheul ausbrachen, und ich stelle mir vor, daß Cortés sie mit einem Befehl zum Schweigen brachte wie: »Tut, was ich euch gesagt habe. Oder wir sind alle des Todes.«
Infolgedessen gehorchten sie ihm. Im Schütze der Dunkelheit, noch
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