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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Überbrückung ohne Panik, sondern ihm gelang ein Sprung, welchen unsere Krieger so bewunderten, daß sie heute noch von »Tonatíus Sprung« sprechen. Als Pedro de Alvarado an den Rand gestoßen wurde, war er nur mit einem Speer bewaffnet. Er wandte seinen Angreifern den Rücken zu, steckte den Speer in die sich hebende und senkende und ertrinkende Masse von Leibern im Wasser und machte einen mächtigen Satz. Wiewohl schwer gepanzert, wahrscheinlich auch verwundet und bestimmt völlig erschöpft, schwang er sich vom einen Ende der Dammstraße über die Durchfahrt bis auf die andere Seite und brachte sich so in Sicherheit.
    Denn dort kamen unsere Krieger, welche die weißen Männer verfolgten, nicht weiter. Sie blieben stehen. Sie hatten die letzten Fremden aus Tenochtítlan auf Tecpanéca-Gebiet hinausgedrängt und nahmen an, daß der Rest dort getötet oder gefangengenommen werden würde. Unsere Krieger kehrten auf der Dammstraße zurück – wo die Bootsmänner bereits die fehlenden Brücken wieder heranführten und einsetzten – und vollbrachten auf dem Rückweg die Arbeit der Feßler und der Garaus-Macher. Ihre gefallenen Kameraden nahmen sie mit; desgleichen diejenigen weißen Männer, welche als Opfer dienen sollten, und gaben mit ihren Klingen gnädig denjenigen Spaniern endgültig den Tod, welche dem Tode bereits nahe waren.
    Cortés und die ihn begleitenden Überlebenden sahen sich nicht mehr bedrängt und konnten sich in Tlácopan ausruhen. Die Tecpanéca, die dort lebten, waren nicht so gute Kämpfer wie die Texcaltéca, welche Cortés bei ihnen einquartiert hatte; nur war ihnen bei ihrem Angriff das Überraschungsmoment zu Hilfe gekommen, und außerdem kannten sie das Gelände. Als Cortés also die Stadt erreichte, hatten die Tecpanéca seine Texcaltéca-Verbündeten von Tlácopan in nördlicher Richtung nach Azcapotzálco abgedrängt, so daß sie sich immer noch auf der Flucht befanden. Cortés und seinen Gefährten war eine Ruhepause vergönnt, in welcher sie ihre Wunden verbinden, sich einen Überblick über die Lage verschaffen und beschließen konnten, was sie jetzt tun sollten.
    Unter den noch Lebenden fand Cortés immerhin die wichtigsten seiner Unterbefehlshaber: Narváez, Alvarado und andere – und seine Malintzin –, aber sein Heer war kein Heer mehr. Im Triumph war er mit rund eintausendfünfhundert anderen weißen Männern in Tenochtítlan eingezogen. Jetzt war er mit nicht einmal vierhundert aus Tenochtítlan vertrieben worden – dazu etwa dreißig Pferden, von denen einige dem Kampf auf Dem Herzen Der Einen Welt entkommen waren und von der Insel herübergeschwommen kamen. Cortés hatte keine Ahnung, wo seine eingeborenen Verbündeten waren oder wie es ihnen erging. Tatsache ist, daß auch sie sich auf der Flucht vor den rachedurstigen Heeren des Dreibunds befanden. Bis auf die Texcaltéca, die in nördlicher Richtung von ihm fortgedrängt wurden, wurden alle seine anderen Streitkräfte, welche er am Seeufer entlang aufgestellt hatte, in diesem Augenblick nach Norden getrieben – dorthin, wo er erschöpft und niedergeschlagen saß.
    Es heißt, Cortés habe genau das getan. Habe dagesessen, als ob er sich nie wieder erheben würde, mit dem Rücken gegen eine der »ältesten der alten« Zypressen gelehnt, und geweint. Ob er mehr über die vernichtende Niederlage weinte oder um den verlorenen Schatz, weiß ich nicht. Aber vor kurzem ist ein Zaun um jenen Baum errichtet worden, wo Cortés weinte, um eine Gedenkstätte für die »Traurige Nacht« daraus zu machen. Wir Mexíca, schrieben wir noch Geschichtsbücher, würden dieser Nacht einen anderen Namen geben – »Nacht des letzten Sieges der Mexíca« vielleicht-, aber es seid ihr Spanier, die ihr jetzt die Geschichte schreibt, und so nehme ich an, wird diese regengepeitschte und blutige Nacht – nach eurem Kalender der dreizehnte Tag des Mondes Juni im Jahre eintausendfünfhundertundzwanzig – wohl für immer als La Noche Triste in der Erinnerung bleiben.

    In mancher Hinsicht war es auch für Die Eine Welt keine glückliche Nacht. Als am unseligsten erwies sich der Umstand, daß unsere Heere die Verfolgung Cortés' und seiner ihm verbliebenen Weißen sowie der Eingeborenen, die ihn unterstützten, abbrachen, bevor sie sie bis auf den letzten Mann erschlagen hatten. Doch wie ich bereits gesagt habe, wiegten die Krieger von Tenochtítlan sich in dem Glauben, eben dieses würden ihre Verbündeten auf dem Festland tun, und so kehrten sie

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