Der Azteke
ehe sie halfen, die Schlitten zu entleeren, leerten die Soldaten, was immer sie an Behältnissen und Beuteln bei sich hatten und füllten diese sowie ihre Wämser und selbst ihre hohen Stulpenstiefel mit allem Goldgerät das klein genug war, es zu stehlen. Aber der größte Teil des Schatzes verschwand im Wasser des Sees, und die Pferde wurden ausgespannt. Dann schoben die Männer die Schlitten über die Durchfahrt für die Kanus hinüber.
Inzwischen kam der Rest des Heeres über die Dammstraße von der Stadt her, und zwar nicht aus freien Stücken, denn unsere Krieger waren ihnen hart auf den Fersen. Als sie bis dorthin gekommen waren, wo Cortés und die anderen warteten, stockte der Rückzug eine Weile, und die vordersten Linien der Spanier und der Mexíca gerieten in ein Handgemenge, bei dem es weder vorwärts noch zurück ging. Wiewohl die Dammstraße breit genug war, daß zwanzig Männer nebeneinander darüber hinmarschieren konnten, konnten nicht genau so viele nebeneinander kämpfen, ohne einander ins Gehege zu kommen. Es konnten wohl nicht mehr als zwölf von unseren Kriegern mit zwölf von den ihren kämpfen, und das Gewicht unserer großen Zahl hinten nützte gar nichts.
Dann schienen die Spanier plötzlich nachzugeben und wichen zurück, doch während sie das taten, zogen sie die Schlittenbrücken mit sich hinüber, so daß unsere vordersten Kämpfer unversehens schwankend am Abgrund standen. Einer der Schlitten und etliche von unseren Leuten sowie mehrere Spanier fielen in den See. Aber die weißen Männer auf der anderen Seite hatten kaum Zeit, Atem zu schöpfen. Unsere Krieger waren fast unbekleidet und waren überdies gute Schwimmer. Sie sprangen aus freien Stücken ins Wasser, schwammen über die Durchfahrt hinüber und kletterten die Stämme hinauf, wo die weißen Männer standen. Gleichzeitig ging von beiden Seiten ein Pfeilregen auf die Spanier hernieder. Cuitláhuac hatte an alles gedacht. Kanus mit Bogenschützen waren mittlerweile auf dem See und strebten auf die Dammstraße zu. Cortés blieb keine andere Wahl, als sich kämpfend weiter zurückzuziehen. Da seine Pferde die größten und wertvollsten und verwundbarsten Ziele bildeten, befahl er einigen Männern, die Pferde ins Wasser zu treiben und sich an ihnen festzuhalten, während sie aufs Festland zuschwammen. Ohne daß man es ihr befohlen hätte, sprang Malintzin zusammen mit ihnen ins Wasser und wurde von einem schwimmenden Pferd an Land gebracht.
Dann taten Cortés und die ihm noch verbliebenen Männer ihr Bestes, einen geordneten Rückzug anzutreten. Diejenigen, welche Armbrüste und funktionierende Hakenbüchsen hatten, schossen sie aufs Geratewohl links und rechts vom Damm ins Dunkel ab, in der Hoffnung, einen von den Angreifern in den Kanus zu treffen. Die anderen Spanier, welche abwechselnd mit dem Säbel kämpften und den ihnen noch verbliebenen Schlitten zogen, wichen immer weiter hinter den immer zahlreicheren Kriegern zurück, denen es gelungen war, die erste Lücke in der Dammstraße zu überwinden. Es gab noch zwei weitere dieser Kanudurchfahrten zwischen Cortés und dem Festland von Tlácopan. Der Schlitten half ihm, sich und seine Männer auf den nächsten Abschnitt hinüberzubringen, doch dort mußten sie diese Behelfsbrücke zurücklassen, da ihre Verfolger sie gleichfalls überwanden. Bei der nächsten Durchfahrt kämpften die weißen Soldaten und wichen zurück, bis sie vom Rand in den See hinunterfielen.
Doch in so großer Nähe des Ufers war das Wasser bereits so seicht, daß auch jemand, der nicht schwimmen konnte, durch eine Reihe von Hüpfern ans Land kommen konnte und den Kopf dabei über Wasser behielt. Nur trugen die weißen Männer schwere Panzer, und viele von ihnen wurden auch durch das noch schwerere Gold belastet, und so schlugen sie, als sie ins Wasser fielen, wild mit den Armen um sich und strampelten mit den Beinen, um nicht unterzugehen. Cortés und seine Kameraden, welche nach ihnen kamen, zögerten bei dem Versuch, den Durchlaß hinter sich zu bringen, nicht, auf sie zu treten. So kam es, denke ich, daß viele Männer, die ins Wasser fielen, versanken, wobei die untersten, wie ich vermute, tief in den Schlickgrund des Sees hineingestampft wurden. Da mehr und immer mehr von den Spaniern hineinfielen und ertranken, stapelten sich ihre Leichen so hoch, daß sie eine Brücke aus Fleisch bildeten, und auf diese Weise gelangten die letzten überlebenden Spanier hinüber.
Nur einer von ihnen schaffte die
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