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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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und die Musik vom Nordende der Insel hören, sahen die niedrigen Wolken dort rot überhaucht vom Widerschein der Urnenfeuer und der Fackeln.
    Genauso wie zuvor die unerwartete Gelegenheit, Motecuzóma zu beseitigen, stellte auch Cortés' unerwartet plötzlicher Abtransport des Schatzes einen Umstand dar, den wir nicht vorhergesehen hatten, und zwang Cuitláhuac, früher loszuschlagen als geplant. Doch genauso wie Motecuzómas Hinscheiden, wirkte sich auch Cortés überstürzter Abtransport des Goldes für Cuitláhuac zum Vorteil aus. Da die Schlitten mit dem Schatz auf die Straße von Tlacópan zufuhren, nahmen sie offensichtlich den kürzesten Weg, welcher zum Festland hinüberführte. Cuitláhuac konnte die Krieger zurückrufen, welche er aufgestellt hatte, die beiden anderen Dammstraßen zu bewachen, und sie seiner Streitmacht zufügen. Dann erteilte er an alle Ritter und Cuáchictin den Befehl: »Wartet nicht auf die Mitternachtshörner! Schlagt jetzt zu!«
    Ich muß dazu sagen, daß ich während dieser Ereignisse, von denen ich berichte, daheim bei Wartender Mond weilte, denn ich war einer jener Männer, welche Cuitláhuac freundlicherweise als »von der Teilnahme am Kampf entschuldigt« bezeichnet hatte: Männer, welche dafür zu alt oder sonst ungeeignet waren. Folglich war ich persönlich nicht Zeuge der Ereignisse auf der Insel und auf dem Festland – doch überall hätte ein einzelner Zeuge ohnehin nicht sein können. Freilich war ich später dabei, als die Berichte unserer verschiedenen Befehlshaber einliefen. Deshalb kann ich euch, meine Herren Skribenten, mehr oder weniger genau berichten, was in dieser Nacht geschah, welche Cortés seither Die
    Traurige Nacht genannt hat.
    Auf den Befehl zum Losschlagen hin gingen als erste etliche von unseren Männern zu Werke, die sich auf Dem Herzen Der Einen Welt aufgehalten hatten, seit Motecuzóma mit Steinen beworfen worden war. Ihnen war die Aufgabe zugewiesen worden, die Pferde der Spanier loszumachen und auseinanderzutreiben – und es mußten beherzte Männer sein, denn nie zuvor hatten unsere Krieger gegen etwas anderes gekämpft als gegen menschliche Gegner. Zwar waren einige der Pferde mit der Schatzkolonne fortgezogen, doch standen immer noch rund achtzig von ihnen in jener Ecke des Großen Platzes angehalftert, wo der Tempel stand, welcher zu einer christlichen Kapelle gemacht worden war. Unsere Männer lösten die Riemen des Kopfgeschirrs, rissen dann Feuerbrände aus einem Lagerfeuer in der Nähe und liefen damit zwischen den losgemachten Tieren hin und her. Die Pferde gerieten in Panik und stoben in alle Richtungen auseinander, sprengten in vollem Galopp durch das Lager, warfen die aufgestellten Hakenbüchsen um, rissen etliche von ihren Besitzern zu Boden und stürzten alle anderen weißen Männer in Verwirrung, so daß sie laut rufend und fluchend durcheinanderrannten.
    Dann strömte die Masse unserer bewaffneten Krieger auf den Platz. Jeder von ihnen trug zwei Maquáhuime, von denen er eins den Männern zuwarf, welche schon länger auf dem Platz waren. Keiner von den Unseren trug den gesteppten Kampfanzug. Im Nahkampf gewährte der ohnehin nicht viel Schutz und wäre mit Regen vollgesogen nur hinderlich gewesen; unsere Kämpfer trugen nichts weiter als ihr Schamtuch. Der Große Platz war den ganzen Abend über nur schwach beleuchtet gewesen, da die Kochstellen der Soldaten vor dem Regen hatten geschützt werden müssen, indem man Schilder und andere Dinge über sie gelehnt hatte. Die dahinsprengenden und -stürzenden Pferde zertrampelten die meisten dieser Feuer und verwirrten die Soldaten dermaßen, daß sie völlig fassungslos waren, als sie plötzlich fast nackte Krieger aus den Schatten springen sahen, von denen manche auf jedes bärtige Gesicht und jeden gepanzerten Körper einhieben, während andere sich den Weg ins Innere des Palasts erzwangen, den Cortés vor so kurzer Zeit verlassen hatte.
    Die Spanier, welche die Kanonen auf dem Palastdach bemannten, hörten das Getöse unten, konnten jedoch nur wenig von dem erkennen, was geschah und hätten ihre Waffen ohnehin nicht in das Lager ihrer Kameraden abfeuern können. Ein weiterer Vorteil war, daß die wenigen Spanier auf dem Großen Platz, welchen es gelang, ihre Hakenbüchsen zu ergreifen, feststellen mußten, daß es zu feucht war, als daß sie Blitz und Donner und Tod hätten speien können. Eine Anzahl von den Soldaten im Inneren des Palastes konnte ihre Hakenbüchsen nur ein einziges

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