Der Azteke
hätte, zu dem ich heimkommen konnte in jenen Nächten, da ich heimgegangen bin in diese Hütte. Wenn ich für immer dorthin zurückkehre, werde ich vielleicht dafür sorgen, daß es sowohl für sie als auch für mich nicht mehr allzu lange dauert. Wir haben keine Aufgabe mehr und auch keine andere Entschuldigung, länger in dieser Welt der Lebenden zu bleiben. Und ich sollte vielleicht noch erwähnen, daß unser letzter Beitrag, welchen wir für Die Eine Welt leisteten, mich jetzt nicht mehr belustigt. Geht heute auf den Markt von Tlaltelólco, und Ihr werdet feststellen, daß das Wappen der Mexíca dort immer noch verkauft wird – samt Schlange. Doch was schlimmer ist – und weshalb es mich eben nicht belustigt- Ihr werdet dort auch noch die Geschichtenerzähler hören, welche diese erfundene und unpassende Schlange in unsere ehrwürdigste Legende einflechten:
»Höret mich und wisset! Als unser Volk zuerst hierher in dieses Seengebiet kam, als wir noch die Azteca waren, gebot unser großer Gott Huitzilopóchtli unseren Priestern, Ausschau zu halten nach einem Ort, wo ein Nopáli-Kaktus wächst, und darauf ein Adler, der eine Schlange frißt …«
Nun ja, Euer Exzellenz – soviel zur Geschichte. Ich vermag an den erbärmlichen kleinen Verfälschungen daran nichts zu ändern. Genausowenig, wie ich an der weit beklagenswerteren Wirklichkeit dieser Geschichte nichts ändern kann. Doch die Geschichte, welche ich erzählt habe, ist die Geschichte, welche ich erlebt und an welcher ich einigen Anteil gehabt habe, und ich habe sie wahrheitsgetreu erzählt. Darauf küsse ich die Erde, will sagen: Das schwöre ich.
Nun könnte es ja sein, daß ich in meiner Erzählung hier und da eine Lücke gelassen habe, welche Euer Exzellenz noch ausgefüllt haben möchte, oder es könnten Fragen aufgetaucht sein, auf welche Euer Exzellenz Antwort erheischt, oder Ihr könntet nach Einzelheiten fragen, welche das eine oder das andere betreffen. Allerdings bitte ich, daß sie noch für einige Zeit zurückgestellt werden und man mir gestattet, mich von meiner Arbeit auszuruhen. Ich bitte Euer Exzellenz um Erlaubnis, mich nun von Euch und den ehrwürdigen Patres und diesem Raum zu verabschieden, welcher in dem Haus liegt, welches einst das Haus des Gesanges gewesen ist. Nicht, daß ich es müde wäre zu sprechen, oder daß ich alles erzählt hätte, was gesagt werden könnte, oder weil ich vermutete, daß Ihr es überdrüssig wäret, mich erzählen zu hören. Ich bitte, mich verabschieden zu dürfen, weil gestern abend, als ich heimkehrte in meine Hütte und ich mich neben dem Lager meiner Frau niedersetzte, etwas Erstaunliches geschah. Wartender Mond sagte mir, sie liebe mich! Sie erklärte, sie liebe mich, habe mich immer geliebt und liebe mich immer noch. Da Béu nie in ihrem Leben so etwas zu mir gesagt hatte, meine ich, könnte jetzt das Ende ihres langen Sterbens gekommen sein, und daß ich bei ihr sein sollte, wenn es kommt. Mögen wir noch so verlassen und allein sein, sie und ich, wir sind alles, was wir noch haben … Gestern abend hat Béu gesagt, sie habe mich geliebt seit unserem ersten Kennenlernen vor vielen Jahren, in Tecuantépec, in den Tagen unserer grünsten Jugend. Doch habe sie mich bei der ersten Gelegenheit verloren, und zwar für immer verloren, sagte sie, als ich beschloß, den Purpurfarbstoff zu suchen, als sie und ihre Schwester Zyanya die kleinen Zweige zogen, um zu entscheiden, wer von den beiden Mädchen mich begleiten solle. Da habe sie mich zwar verloren, sagte sie, doch habe sie nie aufgehört, mich zu lieben, und sei nie einem anderen Mann begegnet, den sie habe lieben können. Und als sie mir gestern abend diese erstaunliche Enthüllung machte, ging mir ein unwürdiger Gedanke durch den Kopf. Ich dachte: Wärest du, Béu, es gewesen, die mit mir gegangen wäre, und die mich bald hinterher geheiratet hätte, dann würde es Zyanya sein, welche ich jetzt immer noch bei mir haben würde. Doch dieser Gedanke wich einem anderen, der sich gleich darauf einstellte: Würde ich denn wünschen, daß Zyanya all das erlitten hätte, was du erlitten hast, Béu? Und mich dauerte das arme Wesen, welches da lag und sagte, es liebe mich. Sie klang so traurig, daß ich es wagte, mich ein wenig lustig darüber zu machen. Ich meinte, sie habe schon eine recht merkwürdige Art gehabt, mir ihre Liebe zu zeigen, und erzählte ihr, ich hätte gesehen, wie sie sich in der schwarzen Kunst versucht und ein Lehmbild von mir
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