Der Azteke
doch ich glaube, das wäre gar nicht nötig gewesen.
Niedrige Menschen wie sie – welche es der Welt nie verzeihen können, daß es ihr völlig gleichgültig ist, ob es sie gibt oder nicht – werden jede Gelegenheit beim Schöpfe ergreifen, um anerkannt zu werden, und sei es auch nur ihrer unerhörten Boshaftigkeit wegen. Und so ergriff Florencia die Gelegenheit, einmal bemerkt zu werden: dadurch, daß sie höher und über ihr Stehende verleumdete, selbiges ungestraft tun konnte und noch dazu vor einer aufmerksamen Zuhörerschaft, welche so tat, als glaubte sie ihr. Sie ließ ihrer Enttäuschung über ihre eigene Nichtigkeit freien Lauf und stieß einen Schwall von Lügen und Erdichtetem und Anschuldigungen aus, welche einzig und allein dazu dienen sollten, die drei Edelleute als Wesen hinzustellen, welche noch verächtlicher waren als sie selbst.
Ich konnte nichts sagen – bis heute nicht –, und die Verehrten Sprecher wollten nichts sagen. In ihrer Verachtung für den Moskito, welcher sich zu einem Geier aufplusterte, taten sie nichts, um die Verunglimpfungen zurückzuweisen oder sich zu verteidigen oder sich anmerken zu lassen, was sie von dieser Farce von einer Gerichtsverhandlung hielten. Florencia hätte womöglich zehn Tage lang weitergemacht und das Blaue vom Himmel heruntergelogen, um zu beweisen, daß die drei Verehrten Sprecher Teufel aus der Hölle seien, hätte sie nur soviel Grips besessen, auf derlei Dinge zu kommen. Doch zuletzt wurde das Tribunal es leid, sich ihr dummes Geschwätz anzuhören, befahl ihr kurz und bündig innezuhalten und verkündete dann genauso kurz und bündig, die drei Edelleute seien schuldig, eine Verschwörung gegen Neuspanien angezettelt zu haben.
Ohne Einspruch zu erheben, ohne Protest und ohne einander mit ver decktem Spott Lebewohl zu sagen, ließen die drei sich nebeneinander unter einen dicken Ceiba-Baum stellen, die Spanier warfen Stricke über einen passenden Ast, und dann wurden die drei zusammen in die Höhe gezogen. In dem Augenblick, da die Verehrten Sprecher Cuautémoc, Tétlapanquétzal und Cohuanácoch starben, verschwand auch die letzte Spur, daß es so etwas wie den Dreibund jemals gegeben hatte. Ich weiß nicht das genaue Datum des Jahres, da ich auf dieser Expedition kein Tagebuch geführt habe. Vielleicht könnt ihr, meine Herren Skribenten, den Tag errechnen, denn nachdem die Hinrichtung abgeschlossen war, rief Cortés fröhlich:
»Und jetzt laßt uns jagen, Leute, irgendein Tier erlegen und ein Festmahl bereiten. Heute ist Fastnachtdienstag, der letzte Tag des Karneval.«
Sie zechten die ganze Nacht hindurch, und so war es mir nicht schwer, mich unbemerkt vom Lager fortzustehlen und den Weg zurückzugehen, welchen wir gekommen waren. In wesentlich kürzerer Zeit, als wir gebraucht hatten hinzukommen, kehrte ich nach Quaunáhuac und in Cortés' Palast zurück. Die Wachen waren mein Kommen und Gehen gewöhnt und nahmen gleichgültig meine Bemerkung zur Kenntnis, ich sei nach Hause vorausgeschickt worden. Dann begab ich mich in Béus Kammer und berichtete ihr alles, was geschehen war.
»Jetzt bin ich ein Vogelfreier«, sagte ich. »Aber ich glaube, Cortés hat nicht die geringste Ahnung, daß ich eine Frau habe und daß sie hier wohnt. Und selbst wenn er dahinterkäme, ist es nicht sehr wahrscheinlich, daß er seinen gerechten Zorn an dir ausläßt. Ich muß fliehen, und am besten verbergen kann ich mich unter den vielen Menschen in Tenochtítlan. Vielleicht finde ich eine Hütte im Viertel der Arbeiter. Ich möchte nicht, daß du in soviel Schmutz und Elend lebst, Wartender Mond, wo es doch möglich ist, daß du hier bleibst und es gut hast …«
»Wir sind jetzt Vogelfreie«, unterbrach sie mich mit belegter, aber entschiedener Stimme. »Vielleicht schaffe ich es sogar, bis zur Stadt zu gehen, Záa, wenn du mich führst.«
Was ich auch sagte und wenn ich auch flehte, sie wollte sich nicht davon abbringen lassen. So schnürte ich ein Bündel aus unseren Habseligkeiten, deren es nicht mehr viele gab, verlangte nach zwei Sklaven, sie im Tragstuhl zu tragen, und so zogen wir über den Bergrand zurück ins Seengebiet und über die südliche Dammstraße nach Tenochtítlan, und dort sind wir seither die ganze Zeit über gewesen.
Willkommen nochmals, Euer Exzellenz, nachdem Ihr solange nicht dabei gewesen seid. Seid Ihr gekommen, den Schluß meines Berichts anzuhören? Nun, ich habe alles erzählt, bis auf ganz weniges.
Etwa ein Jahr, nachdem ich ihn
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