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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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heimlich verlassen hatte, kehrte Cortés mit seinem Gefolge zurück und ließ es sich als erstes angelegen sein, die erlogene Geschichte von dem geplanten Aufstand der drei Verehrten Sprecher zu verbreiten, zum »Beweis« für ihre Verschwörung meine Zeichnung vorzuweisen und mit Nachdruck zu vertreten, wie gerecht es gewesen sei, sie ihres Verrats wegen hinzurichten. Für alle, welche einst zum Dreibund gehört hatten, war es ein Schock, denn ich hatte die Nachricht niemandem außer Béu anvertraut. Alle Menschen trauerten und hielten verspätet Gedenkfeiern ab. Unter sich murrten sie selbstverständlich auch, aber es blieb ihnen gar nichts anderes übrig, als nach außen hin so zu tun, als schenkten sie Cortés Glauben. Ich möchte noch darauf hinweisen, daß er sich hütete, Florencia mit zurückzubringen, um sich seine Geschichte von ihr bestätigen zu lassen. Er wollte nicht riskieren, daß sie nochmals Mittelpunkt der Aufmerksamkeit wurde und Anerkennung fand, indem sie Gelegenheit bekam, womöglich öffentlich ihre Lügen als Lügen hinzustellen. Wo und wie er sich dieser Person entledigte, hat nie jemand gehört; aber es hat wohl auch niemand interessiert, sich zu erkundigen.
    Zweifellos hat es Cortés' Zorn erregt, daß ich mich von seiner Expedition abgesetzt hatte, doch muß dieser Zorn im Laufe des folgenden Jahres ziemlich verraucht sein, denn er befahl nie, Jagd auf mich zu machen, jedenfalls nicht, daß ich wüßte. Keiner seiner Männer kam je, sich zu erkundigen, wo ich abgeblieben sei; keiner seiner Hunde wurde ausgeschickt, mich aufzustöbern. Béu und ich durften weiterleben, so gut es eben ging.
    Inzwischen war der Markt von Tlaltelólco wiederhergestellt worden, wenn auch bei weitem nicht so groß, wie er früher gewesen war. Ich ging dorthin, um zu sehen, was dort gekauft und verkauft wurde und zu welchen Preisen. Auf dem Markt wimmelte es genauso von Menschen wie früher, wenn auch mindestens die Hälfte der Menge aus weißen Männern und Frauen bestand. Mir fiel auf, daß unter meinen Landsleuten die meisten Waren im Tausch den Besitzer wechselten – »Ich gebe dir diesen Truthahn für diese Schale« –, die spanischen Käufer hingegen zahlten mit Geld: Ducados, Reales und Maravedíes. Wenn sie auch zur Hauptsache Lebensmittel und andere Waren des täglichen Gebrauchs kauften, erstanden sie doch auch eine Menge Dinge, welche eigentlich so gut wie keinen Nutzwert besaßen oder schön gewesen wären. Ich lauschte ihren Unterhaltungen und erfuhr auf diese Weise, daß sie »lustige Eingeborenenhandarbeiten« kauften, um sie als Kuriosa aufzubewahren oder als »Erinnerung an Neuspanien« an ihre Verwandten daheim zu schicken.
    Wie Ihr wißt, Euer Exzellenz, haben in den Jahren seit dem Wiederaufbau viele verschiedene Flaggen über der Ciudad de Mexíco geweht. Da ist Cortés' Hausstandarte gewesen: Blau und Weiß mit einem roten Kreuz darin; und die blutrotgoldene Flagge Spaniens; und diejenige mit der Heiligen Jungfrau in, wie ich meine, wirklichkeitsgetreuen Farben darin; und diejenige mit dem doppelköpfigen Adler des Kaiserreiches; und andere, deren Bedeutung mir unbekannt ist. An diesem Tage sah ich auf dem Markt viele Handwerker unterwürfig kleine Kopien dieser verschiedenen Flaggen feilhalten, gut oder schlecht ausgeführt, doch selbst die besten schienen den müßig suchenden Spaniern keine Begeisterung zu entlocken. Und ich sah, daß keiner von diesen Händlern ähnliche Abbilder unserer eigenen stolzen Zeichen des Volkes der Mexíca anboten. Vielleicht hatten sie Angst, man könne ihnen vorwerfen, Sympathien zu hegen, welche sich gegen den Frieden und die gute Ordnung wendeten.
    Nun, dergleichen Ängste hatte ich nicht. Oder vielmehr hätte ich mich ja längst wesentlich schwerwiegenderer Vergehen wegen zu verantworten gehabt, so daß mir diese harmlosen keinerlei Sorgen bereiteten. Ich kehrte zurück in unsere armselige kleine Hütte und fertigte eine Zeichnung, kniete mich neben Béus Lager hin und hielt sie ihr dicht vor die Augen.
    »Wartender Mond«, sagte ich, »kannst du dies deutlich genug erkennen, um es nachzumachen?« Sie strengte die Augen an, und ich zeigte ihr die verschiedenen Bestandteile. »Schau, das ist ein Adler, die Schwingen ausgebreitet wie zum Flug, und er hockt auf einem Nopáli-Kaktus, und im Schnabel hält er das Kriegssymbol ineinander verschlungener Bänder …«
    »Ja«, sagte sie. »Ja, jetzt, wo du es mir sagst, kann ich die Einzelheiten besser

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