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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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erkennen. Aber sie nachmachen, Záa? Was meinst du damit«
    »Wenn ich das Material dafür kaufe, könntest du dies dann nachmachen, indem du es mit verschiedenfarbenen Fäden auf ein kleines Stück Stoff stickst? Es braucht nicht so köstlich zu sein wie die Dinge, welche du früher geschaffen hast. Einfach Braun für den Adler, Grün für den Nopáli und vielleicht Rot und Gelb für die Bänder.«
    »Ich glaube, das könnte ich wohl. Aber wozu?«
    »Wenn du genug davon machst, könnte ich sie auf dem Markt verkaufen. An die weißen Männer und Frauen. Sie scheinen derlei Dinge zu schätzen, und sie zahlen in klingender Münze dafür.«
    Sie sagte: »Ich werde eines machen, und du siehst mir dabei zu, so daß du mich darauf aufmerksam machen kannst, wenn ich etwas falsch mache. Wenn ich eines richtig gemacht habe und es mit den Fingerspitzen ertasten kann, könnte ich das als Vorlage nehmen, um viele andere danach zu sticken.«
    Selbiges tat sie, und sehr hübsch dazu. Ich bewarb mich um einen Stand auf dem Markt, wo mir ein kleiner Platz zugewiesen wurde, und dort breitete ich ein Tuch auf dem Boden aus und darauf die Abbilder des alten Wappens der Mexíca. Niemand von der Obrigkeit kam, mich zu belästigen oder hieß mich die Dinge wegnehmen; vielmehr kamen viele Leute und kauften sie. Die meisten von ihnen waren Spanier, doch selbst ein paar Landsleute von mir boten mir zum Tausch dafür dies oder das an, weil sie gedacht hatten, sie würden diese Erinnerung daran, wer wir waren und was wir gewesen waren, nie wieder zu sehen bekommen.
    Von Anfang an beklagten viele Spanier sich über die Darstellung: »Das ist keine lebensechte Schlange, welche der Adler frißt.« Ich versuchte ihnen klarzumachen, daß es auch keine Schlange sein solle und der Adler sie auch nicht fresse. Doch sie schienen unfähig zu begreifen, daß es sich um ein Wortbild handelte, die verschlungenen Bänder, welche Feuer und Rauch darstellten und infolgedessen Krieg bedeuteten. Und Krieg, so erklärte ich, habe einen Großteil der Geschichte der Mexíca ausgemacht, was man von einer Schlange nicht behaupten könne. Sie sagten nur: »Mit einer Schlange würde es sich besser machen.«
    Nun, wenn sie unbedingt wollten, sollten sie es haben. Ich fertigte nochmals eine Zeichnung an und half Wartendem Mond, eine neue Stickerei danach zu machen, welche sie fortan als Vorlage benutzte. Als andere Händler auf dem Markt das Wappen nachmachten, was sich schließlich nicht vermeiden ließ, machten sie es samt Schlange nach. Keine der Nachahmungen war so gut wie die von Béu, und so litt mein Geschäft nicht sonderlich. Vielmehr belustigte es mich zu sehen, wie sklavisch die Leute sich an mein Vorbild hielten, freute es mich, daß ich eine völlig neue Industrie ins Leben gerufen hatte, und amüsierte mich auch darüber, daß ausgerechnet das mein letzter Beitrag zu Der Einen Welt sein sollte. Vieles war ich in meinem Leben gewesen, eine Zeitlang sogar der Edelmann Mixtzin, ein Mann, der etwas darstellte, der reich und hoch angesehen war. Gelacht hätte ich, würde mir damals jemand gesagt haben: »Du wirst deine Wege und Tage als gewöhnlicher Händler enden, welcher hochmütigen Fremden kleine Tuchkopien des Mexíca-Wappens verhökert – und eine schlechte Verfälschung noch dazu!« Ich würde gelacht haben, und so lachte ich wirklich, während ich Tag für Tag auf dem Markt hockte und diejenigen, welche stehenblieben und sich herabbeugten, mich für einen komischen alten Mann hielten.
    Wie es sich ergab, endete ich nicht ganz damit, denn es kam der Tag, da Béus Augenlicht gänzlich versagte, ihre Finger auch nicht mehr wollten und sie nicht mehr sticken konnte. So mußte ich meinen kleinen Abstecher in den Kleinhandel abbrechen. Seither haben wir von den Ersparnissen gelebt, den Münzen, welche wir beiseitegelegt hatten, wiewohl Wartender Mond oft und ärgerlich den Wunsch geäußert hat, der Tod möge sie aus ihrem schwarzen Gefängnis der Langeweile, der Unbeweglichkeit und des Elends befreien. Mir selbst hätte ich diese Erlösung vielleicht gleichfalls gewünscht, doch dann fanden die Patres Eurer Exzellenz mich, brachten mich hierher, und Ihr ließet mich von vergangenen Zeiten erzählen und das ist Ablenkung genug gewesen, meinen Wunsch, noch weiterzuleben, weiterhin zu nähren. Wenn auch meine Beschäftigung hier für Béu eine womöglich noch traurigere und einsamere Gefangenschaft bedeutete, hat sie das ertragen, bloß, damit ich jemand

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