Der Azteken-Götze
können Sie mich ja mitnehmen. Da genau will auch ich hin.«
Zum erstenmal sprach Suko mit ihr. »In dieses Kaff?« fragte er und fügte ein Lachen hinzu.
»Ja, ich habe dort Verwandte.«
»Dann sind Sie ohne Wagen?«
Ich aß und hörte zu, denn Suko stellte seine Fragen.
»Leider. Er hat seinen Geist aufgegeben. Ich habe ihn hier auf dem Parkplatz stehen. Der wird zwar repariert, aber das kann dauern, und so lange möchte ich nicht hier hockenbleiben, obwohl man hier auch übernachten kann. Aber bis Border Town ist es nicht weit.« Sie lächelte uns entwaffnend an und streckte mir die Hand entgegen. »Ich bin übrigens Inez.«
Ich schlug ein. »John.«
Auch Sukos Hand fand die ihre hinter meinem Rücken, und er sagte seinen Namen.
»Haben Sie noch vor, länger zu bleiben.«
»Einige Minuten schon.«
»Gut, dann mache ich mich noch frisch.« Sie rutschte vom Hocker und ging.
Nicht nur wir schauten ihr nach, auch die zahlreichen Gäste waren von ihren anmutigen Bewegungen angetan, und nicht wenige fügten auch ein anerkennendes Nicken hinzu.
»Die ist schon klasse, die Kleine«, murmelte ich, was mir einen Rippenstoß meines Partners eintrug.
»Denk lieber an den Götzen.«
Ich verzog die Lippen. »Beim Anblick der Kleinen fällt mir das doch schwer.«
»Kann ich mir sogar denken.«
Wir zahlten. Ich ließ auch den Saft der jungen Frau mit auf die Rechnung schreiben.
»Sie waren zufrieden?« fragte die Bedienung.
»Sehr sogar.«
»Danke.«
Ich hatte noch ein Trinkgeld hinzugelegt und drehte mich um. Um diese Zeit – es war ungefähr Mittag – strömten die Gäste doch zahlreicher in den Imbiß. Trucker bildeten die größte Gruppe. Alle Fahrer wirkten irgendwie erschöpft, waren verstaubt und verschwitzt, aber die harten Burschen warf so leicht nichts um.
Viele kannten sich auch.
Man setzte sich zusammen an die Tische und diskutierte über die Fahrten und natürlich auch über die gnadenlose Hitze da draußen. Inez kehrte zurück. Der lange Riemen einer bunten Stofftasche hing schräg über ihre Schulter. Lächelnd rutschte sie wieder auf den Hocker.
»Ich habe nachgefragt, mein Wagen wird erst morgen fertig sein. Dann kann ich ihn abholen.«
»Okay, wir können.«
»Oh, das ist gut. Meine Verwandten werden sich sonst Sorgen machen, wenn ich zu spät komme. Im Schutz von zwei Männern fühle ich mich wohler.«
»Wir werden unser Bestes tun.«
Von der Kühle in die Hitze. Das war wie ein Schlag mit dem Vorschlaghammer, der einen Menschen auf der gesamten Breite erwischte. Es fiel uns beiden im Anfang ziemlich schwer, Luft zu holen, und auch über dem Parkplatz lag der Staub, den der warme Südwind heranwehte und über alles hinwegrieseln ließ.
Wir fuhren einen blauen Chrysler, und das Mädchen nahm auf dem Rücksitz Platz.
»Das tut gut«, sagte sie, setzte sich schräg und streckte die Beine aus.
»Gäbe es eine Uni in Border Town, würde ich dort studieren. So muß ich eben nach Dallas.«
»Zu den Fwings?« witzelte ich.
»Die Serie ist hier vorbei.«
»Aber Öl wird trotzdem noch gefördert.«
»Worauf Sie sich verlassen können, John.«
Ich lenkte den Wagen vom Parkplatz und wieder zurück auf den Highway, der einer mit Staub bedeckten Rollbahn glich, die ins Unendliche zu führen schien.
Die Landschaft war flach, sie bestand aus einem riesigen Plateau, denn zum Rio Grande hin fiel sie wieder ab. Nicht steil, sondern in gewissen Etappen.
»Haben Sie beruflich in Border Town zu tun?« hörten wir ihre Frage vom Rücksitz her.
Suko antwortete ihr. »So ungefähr. Wir wollen dort einen Bekannten besuchen.«
»Wie heißt er denn?«
»Abe Douglas.«
Inez überlegte.
Nach einer Weile meinte sie: »Den kenne ich nicht, tut mir leid.«
»Er ist auch nur zu Besuch dort«, meinte Suko. »Aber sonst kennen Sic sich aus.«
Inez nickte so heftig, daß ich die Bewegungen im Innenspiegel sehen konnte. »Das kann man wohl sagen. Ich bin dort groß geworden und hoffe, daß Sie von Border Town nicht allzu sehr enttäuscht sind.«
»Weshalb denn?«
»Da sagen sich nicht einmal Fuchs und Hase gute Nacht. Es ist gottverlassen. Aber es gibt dort viel Polizei. Haben Sie von den Grenzzwischenfällen schon gehört?«
»Ja, man liest darüber.«
»Hier blüht der Schmuggel und auch der Schmuggel der Menschen. Das ist schlimm.«
Suko stellte eine bewußt naive Frage. »Mischt die Cosa nostra hier auch mit?«
»Ich glaube nicht. Das sind andere Banden. Als Fremder werden Sie davon kaum etwas
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