Der Azteken-Götze
merken.«
»Hoffentlich nicht.«
Wir rollten weiter durch die unendlich erscheinende Landschaft, die von der Sonne regelrecht ausgebrannt wurde. Manche Flecken sahen sehr braun aus, als wäre dort bewußt etwas verbrannt und Reste davon liegengelassen worden.
Hin und wieder rückten einige Felsen heran, die in der Sonne gelblich schimmerten.
Ich hatte das Gefühl, als wären ausgerechnet wir allein auf der Straße. Bisher hatte uns kein Wagen überholt, auch die Trucker schienen Border Town zu meiden.
Als ich Inez auf diese Tatsache hin ansprach, erfolgte auch prompt ihre Antwort. »Das ist ganz logisch. Die Trucker nehmen einen anderen Grenzübergang, der extra gebaut wurde. Border Town hätte wirklich ein vergessenes Nest werden können, vorausgesetzt, die Schmuggler hätten es in Ruhe gelassen.«
Ich konnte dann ein Lächeln nicht vermeiden, denn zum erstenmal seit langem führte der Highway, der auf mich bisher den Eindruck einer hoch-und niedergehenden Rollbahn gemacht hatte, in eine Rechtskurve hinein.
Auch die Landschaft änderte sich. Eine mit staubigen und kargen Krüppelgewächsen bewachsene Felsböschung näherte sich der Fahrbahn und bildete an der rechten Seite eine regelrechte Barriere. Ihr Schatten fiel bis auf die Mitte der Fahrbahn.
Es war auch der erste Schatten seit langem. Er tat richtig gut, obwohl wir in unserem klimatisierten Fahrzeug davon nichts spürten. Inez hatte ihre Sitzhaltung verändert. Sie hockte jetzt in der Mitte der Rückbank und schaute zwischen unseren beiden Sitzen hindurch nach vorn, als gäbe es auf der Straße etwas Besonderes zu entdecken.
Aber da war nichts, bis auf die Kurve, in die wir hineinglitten. Wir hatten den Scheitelpunkt erreicht, ich wollte wieder etwas Gas geben, als ich den Fuß zurücknahm.
Mitten auf der Fahrbahn – von einer Seite zur anderen – standen die Menschen und bildeten eine Barriere.
»Was soll das denn?« fragte Suko und schickte einen leisen Fluch hinterher.
Ich mußte bremsen. Nicht abrupt, sondern stotternd, kam aber früh genug zum Stehen.
»Das ist seltsam«, sagte Inez, aber für meinen Geschmack klang es nicht überzeugend.
Ich drehte rasch den Kopf, sah ihr Lächeln und auch das Blitzen in den Augen. Sie hatte mit meinem Blick nicht gerechnet gehabt. Sofort veränderte sie ihren Gesichtsausdruck wieder und wirkte jetzt sogar ziemlich ängstlich.
Da war etwas nicht in Ordnung, und mir fiel plötzlich wieder der Götze ein.
Die Kette der Menschen setzte sich aus Männern und Frauen zusammen. Da von der Felswand an der rechten Seite noch immer ein Schattenstreifen auf die Fahrbahn fiel, konnte ich ihre Gesichter gut erkennen. Sie zeigten einen mexikanischindianischen Ausdruck. So ähnlich wie sie sah auch unsere Mitfahrerin aus.
Zum Teil waren die Personen ziemlich altertümlich gekleidet. Die meisten von ihnen trugen erdfarbene Ponchos. Manche hatten sich auch breiträndrige Hüte zum Schutz gegen die stechenden Sonnenstrahlen auf die Köpfe gesetzt.
Ich dachte darüber nach, ob sie möglicherweise einen feindlichen Eindruck machten. Das allerdings konnte ich nicht unbedingt behaupten. Sie sahen mir eher neutral aus, wirkten gelassen und gleichzeitig abwartend und lauernd.
Warum standen sie hier?
Ich schnallte mich los, Suko tat es mir nach, und er wandte sich an Inez.
»Sie stammen aus dieser Gegend. Deshalb meine Frage. Warum stehen die Menschen hier?«
»Ich weiß es nicht.«
»Sind Sie sicher?«
Inez schwieg.
Ich schaute mir die Personen der Reihe nach an und suchte nach irgendwelchen Waffen.
Sichtbar trugen sie keine bei sich. Sie konnten sie aber gut unter ihren Ponchos versteckt haben. Ihre Gesichter blieben glatt. Ich war kein Fachmann, was die mexikanische Kultur anbetraf, auch in der Völkerkunde der Azteken oder Tolteken kannte ich mich nicht aus, deshalb wußte ich auch nicht, was mir die Mimik ihrer Gesichter sagte, aber ich hatte das Gefühl, daß uns diese Personen nicht eben freundlich gesinnt waren.
Ich sprach etwas Spanisch. Vielleicht konnte ich mich mit ihnen unterhalten, falls sie nicht englisch…
Inez öffnete die Tür. Die hereindringende Backofenluft unterbrach meinen Gedankengang.
»Was ist los?«
Sie gab die Antwort, als sie den Wagen schon halb verlassen hatte. »Ich weiß, was diese Leute wollen.«
»Tatsächlich?«
»Ja, euer Blut!« Nach dieser Antwort wuchtete sie die Wagentür mit einem lauten Knall wieder zu…
***
Manuel Costa hatte inzwischen vier Gläser Wasser
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