Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Polizei zu reden.«
Hoff bekam Angst. »Erwin« wurde etwas milder: »Polizei kommt überhaupt nicht in Frage. Und außerdem, was willst du denn, du würdest doch nur dich selbst belasten.«
»Lester« schaltete sich ein: »Komm hier, mach mal keine Panik, bloß keine Angst. Mach bloß keinen Fehler, jetzt zur Polizei zu gehen, das ist gar nicht nötig. Das Ganze ist harmlos, nimm das nicht so ernst.«
»Erwin« war anderer Meinung: »Guck, der Arsch. Der redet von Polizei. Ich glaube, es geht los. Da hilft doch nur Druck. Der Schwachkopf. Guck ihn doch mal an.«
Ein paar Tage später tauchte Jan-Carl Raspe alias »Lester« wieder auf. In seiner freundlichen Art sagte er: »Das war ja das letzte Mal ein Auftritt … Das finde ich nicht gut, dir die Waffe vorzuhalten.«
Hoff beklagte sich: »Am Ende ist es noch so, ich baue euch Waffen, und ihr haltet mir die noch vor den Bauch. Das ist doch Wahnsinn, was ihr hier abzieht mit mir.«
»Das habe ich auch nicht gut gefunden. Wir müssen darüber mal in Ruhe reden. Es hat ja keinen Zweck, daß wir uns hier was vormachen.«
Er legte eine Broschüre auf den Tisch und sagte: »Das ist von uns.« Das Heft war ziemlich abgegriffen und schmuddelig. Hoff blätterte ein wenig darin herum, erkannte den fünfzackigen, mit einer Maschinenpistole verzierten Stern und die Buchstaben RAF .
»Studier das mal in aller Seelenruhe. Das ist sicher gut für dich«, sagte Raspe.
Hoff machte weiter mit.
Eines Tages blieb Holger Meins in der Werkstatt demonstrativ mit dem Rücken zu Hoff stehen. »Was ist denn los?« fragte der.
Holger Meins wirbelte herum, Hände in den Manteltaschen. Erst auf den zweiten Blick erkannte Hoff, daß »Erwin« den Lauf einer Pistole aus der Tasche auf ihn gerichtet hatte. Hoff lachte beklommen.
Auch »Lester« spielte gelegentlich mit seiner Pistole. Hoff nahm das bei ihm aber nicht so ernst. Holger Meins dagegen gab ihm das Gefühl, daß aus Spaß schnell Ernst werden könnte. Beim nächsten Besuch brachte »Erwin« einen weiteren jungen Mann mit, der Hoff als »Harry« vorgestellt wurde. Es war Gerhard Müller.
»Das ist einer von uns«, sagte »Erwin«. »Auf den ist hundertprozentig Verlaß. Wenn ich mal nicht kommen kann, dann schicke ich Harry.«
»Wow, was für ein prima Laden, hier kann man ja alles machen«, begeisterte sich »Harry«, als »Erwin« ihm die Werkstatt zeigte. Die beiden hatten eine Schachtel mit neuen Zündkapseln dabei, die Hoff auf Handgranatenkörper aufschrauben sollte. Die Gewinde paßten nicht und mußten in der Drehbank umgeschnitten werden. Dazu wurden sie fest eingeschraubt und mit einer Zange bearbeitet. Hoff hatte Angst, daß ihm die Zündkapseln bei der groben Behandlung um die Ohren fliegen könnten. »Ne, ne, da bringen mich keine zehn Pferde zu. Den Scheiß fasse ich nicht an, kommt überhaupt nicht in Frage.«
»Erwin« beruhigte ihn: »Komm, du Hasenfuß, das ist doch kein Problem. Mach doch mal, es ist ungefährlich, ich fresse einen Besen.«
»Nein, nein, kommt überhaupt nicht in Frage.«
Hoff blieb stur und ging ins Nebenzimmer. Daraufhin übernahm Holger Meins die gefährliche Aufgabe selbst. Hoff wunderte sich, wie gut er mit den technischen Geräten umgehen konnte. Keine der Zündkapseln explodierte.
Kurze Zeit später trat eine vierte Figur in Hoffs Werkstatt. Er war gerade bei der Arbeit und hörte auf dem Hinterhof Männerstimmen, die der Werkstatt näher kamen. Hoff dachte, das könnten keine von der RAF sein, denn bisher hatten sie sich immer still und konspirativ verhalten. Hoff öffnete die Tür und ließ »Erwin« und »Lester« und deren Begleiter ein. Der dritte Mann hatte hellblond gefärbte Haare und trug einen roten Wintermantel. Er wurde Dierk Hoff nicht vorgestellt. Ohne etwas zu sagen, ging er an ihm vorbei in die Werkstatt. Er sah sich die Maschinen an, blieb stehen, nickte, ging in das Nebenzimmer, sah sich die Drehbank an. Während der Unbekannte die Werkstatt inspizierte, stand Dierk Hoff leicht benommen da. Er hatte das Gefühl, als würde hier sein Vorgesetzter einen Kontrollgang machen. Nach zwanzig Minuten und ein paar spärlichen Worten gingen die drei. Der Unbekannte war Andreas Baader.
In der folgenden Zeit erhielt Dierk Hoff immer wieder neue Aufträge. Als »Erwin« wieder einmal bei ihm auftauchte, sprach Hoff ihn auf den Besuch des Blonden an. Es gefalle ihm nicht, daß immer mehr Leute von seiner Tätigkeit erführen.
»Da mach dir mal überhaupt
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