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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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Differenzen mit der Gruppe Selbstmord begangen, war sie gerade in Margrit Schillers Wohnung. Ulrike regte sich schrecklich auf: »Diese Dreckschweine. Das sind
ihre
Projektionen, so läuft es bei
ihnen
! Keiner der schmutzigen Tricks aus der CIA -Kiste ist ihnen zu blöde, um uns das Wasser abzugraben. Auf der ganzen Welt benutzen sie dieselben Muster, um Revolutionäre unglaubwürdig zu machen und zu Spinnern zu erklären.«
    Die Spezialisten vom Bundeskriminalamt hatten keine Hinweise auf den Tod Ulrike Meinhofs. Eines aber stimmte auch sie nachdenklich. Seit der Jahreswende 1971 / 72 hatten sie keinerlei Spuren von ihr entdeckt. Tatsächlich war sie damals kurze Zeit in Italien.
    Erst Mitte März 1972 war sie wieder in Hamburg aufgetaucht. Baader und Ensslin ließen sich dort nicht sehen. Ulrike Meinhof und die anderen versuchten auf eigene Faust, neue Leute anzuwerben.

41. Die statistische Lebenszeiterwartung
    Anfang 1972 begann in Berlin der zweite Prozeß gegen Horst Mahler. Die Anklage: Gründung einer kriminellen Vereinigung und Teilnahme an drei Banküberfällen.
    Mahler stand nach wie vor zur RAF und beantwortete dem »Spiegel« schriftlich vorgelegte Fragen zur Strategie des bewaffneten Kampfes. Auf die Frage, ob er politisch gescheitert sei, erklärte der ehemalige Rechtsanwalt: »Selbst hohe Wahrscheinlichkeit eines Fehlschlages entbindet nicht von der Verpflichtung, das Mögliche zu wagen. Der Klassenkampf ist keine Beamtenlaufbahn mit Pensionsanspruch. Überall macht die sozialistische Revolution glänzende Fortschritte. Ich habe unheimlich große Lust, das mir noch Mögliche zu ihr beizutragen. Also bin ich nicht gescheitert.«
    Auf den Vorbehalt, ob denn nicht tatsächlich Menschenleben aufs Spiel gesetzt, also »Genossen verheizt« würden, wenn in der Bundesrepublik zum bewaffneten Kampf aufgerufen werde, entgegnete Mahler: »Die Kategorie des ›Verheizens von Genossen‹ verrät bei dem, der sie benutzt, ein schier unüberwindliches Bedürfnis, sich unter allen Umständen für den Tag aufzusparen, an dem es gilt, den Sieg der Revolution zu beklatschen, den andere errungen haben. Ist dieser Wunsch auch menschlich verständlich, zählt er doch nicht zu den Tugenden eines Revolutionärs.«
    Jeder Genosse, dem die »bürgerliche Unordnung« zum Halse raushänge, müsse sich die Frage stellen, »ob er nicht mehr aus seinem Leben macht, wenn er endlich aus dem Ghetto ausbricht und die Mauern einreißt, selbst wenn sich dadurch seine statistische Lebenszeiterwartung verringern sollte«.
     
    In der Tat verringerte sich die »statistische Lebenszeiterwartung« der RAF -Genossen im Untergrund zusehends.
    Ein Wohnungsmakler in Augsburg hatte im Februar der Polizei gemeldet, ein »verdächtiges Pärchen« habe sich in der Wohnung über ihm eingemietet. Die Frau gehöre bestimmt zur Baader-Meinhof-Gruppe. Der Hinweis löste ein polizeiliches Großunternehmen aus. Dreizehn Beamte der Sicherungsgruppe Bonn, des Verfassungsschutzes und des Landeskriminalamtes mieteten sich im Hotel »Augsburger Hof« ein und observierten die verdächtige Wohnung. Wanzen wurden installiert. Der beste Beobachtungsplatz, so stellten die Beamten fest, war gegenüber, in der Sakristei von St. Georg. Sie weihten den Pfarrer ein, der ließ die Beamten bereitwillig ins Haus und ging auf eine Reise ins Heilige Land.
    Die Sonderkommission war mit sieben Wagen und Funkgeräten ausgerüstet, die für diesen Einsatz Geheimcodes erhalten hatten: 201 für Baader, 202 für Meinhof und so weiter, je nach Bedeutung. Mit der Augsburger Stadtpolizei war vereinbart worden, die Zahl 4444 als Superalarmstufe zu funken, wenn der Einsatz losging.
     
    Am Donnerstag, dem 2 . März, war es soweit. Um 12 . 25 Uhr verließ das observierte und belauschte Paar die Wohnung, fuhr mit einem gestohlenen Wagen ins Stadtzentrum und parkte ordnungsgemäß an einer Parkuhr. Die beiden gingen ins Hotel »Thalia« und kamen nach wenigen Minuten zurück. Als sie ihren Wagen erreichten, kehrte die Frau wieder um. In diesem Moment griffen die Polizisten ein.
    Es fiel ein Schuß aus einer Polizeipistole.
    Die Kugel traf das Herz des jungen Mannes: Thomas Weisbecker, 23  Jahre alt, Sohn eines Professors aus Kiel, der beste Freund des am 4 . Dezember 1971 , gerade ein Vierteljahr zuvor, in Berlin von der Polizei erschossenen Georg von Rauch. Nach Angaben der Polizei hatte Weisbecker versucht, seine Pistole zu ziehen. Die Frau, die kurz danach festgenommen wurde, war 24

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