Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
keine Sorgen«, sagte Holger Meins. »Die Jungs sind alle hundertprozentig. Darauf ist totaler Verlaß. Der einzige Unsicherheitsfaktor bist du. Du bist kein Kader für uns. Wir sind von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Jetzt müssen wir die Sache auf die eine oder andere Weise mit dir zu Ende bringen.«
Baader, Ensslin, Raspe und Meins hatten in Frankfurt eine Hochhauswohnung in der Inheidener Straße bezogen. Von hier aus unternahmen sie Abstecher in andere Städte. Als die Wohnung später entdeckt wurde, fanden die Kriminalbeamten Fingerabdrücke fast aller Gruppenmitglieder in dieser Unterkunft – nur nicht von Ulrike Meinhof.
40. Baader und Ensslin fahnden nach Ulrike Meinhof
Noch im Februar 1972 stieß ein neues Mitglied zur Gruppe, der neunzehnjährige Schriftsetzer Hans-Peter Konieczny. Nach einer Odyssee durch verschiedene politische Gruppierungen, von der SPD , dem DGB über den SDS , die SDAJ , Jugendorganisation der DKP , bis hin zu marxistisch-leninistischen und trotzkistischen Gruppen, landete er bei der RAF .
Im Spätsommer 1971 hatte er an einer »Rote-Punkt-Aktion« in Esslingen teilgenommen, bei der für die Einführung des Nulltarifs der städtischen Verkehrsbetriebe demonstriert wurde. Es kam zu einer Prügelei mit der Polizei, und »Conny« wurde wegen Widerstand und Nötigung angeklagt. Sein Verteidiger war Jörg Lang, der Kontakte zur RAF hatte und später, am 13 . Juli 1972 , unter dem Verdacht festgenommen wurde, der Gruppe bei der Wohnungsbeschaffung geholfen zu haben. Wieder auf freiem Fuß, setzte Lang sich ab, vermutlich in den Nahen Osten. Erst nach Ablauf der Verjährungsfrist kehrte er in die Bundesrepublik zurück.
Jörg Lang gelang es, im Februar 1971 einen Freispruch für Konieczny zu erreichen. Kurz nach dem Prozeß begegneten sich eines Abends Anwalt und Mandant zufällig in Tübingen.
Konieczny klagte, wie unzufrieden er mit der politischen Gruppenarbeit sei, er wolle endlich andere Wege gehen: »Ich druck mal Geldscheine oder falsche Papiere und schick sie an BM .« Damit waren sie beim Thema.
Ein paar Tage später trafen sie sich im Stuttgarter »Mövenpick«. Lang sagte, er könne Konieczny mit ein paar Leuten zusammenbringen, die ähnlich dächten wie er. Der Anwalt skizzierte den Weg zu der betreffenden Adresse auf einem Zettel. Um Mitternacht brach Konieczny auf und ging über den kleinen Schloßplatz auf das markierte Haus zu. Er klopfte in dem von Lang beschriebenen Rhythmus an eine Metalltür, stieg zwei Treppenstufen hinunter und betrat ein Appartement.
Konieczny beschrieb das Szenario später so: »Ich sah als erstes einen Typ, der ’ne schwarze Hose anhatte und ein Hemd in Ocker. Mit dem Hinterteil lehnte er an einem Schränkchen, und er sah irre bleich aus – wie ein Theaterschauspieler, der geschminkt ist. Eine Frau machte die Tür zu. Sie hatte einen rotbraunen Wildledermantel an. Man hätte sie vom ersten Blick her für so ’ne Tante halten können, die ein bißchen Geld hat. Er sah wie ein typischer Zuhälter aus.«
Konieczny setzte sich in einen ungemütlichen Korbsessel und sagte: »Ich bin Conny.« Er sah sich um: Die Frau hielt in der rechten Hand eine Pistole, eine P 38 Spezial. Im Hosenbund des Mannes steckte ebenfalls eine automatische Pistole. Konieczny war nicht besonders erschrocken, er hatte so etwas erwartet.
»Nun schieß mal los«, sagte der Mann. Konieczny brachte kein Wort heraus.
Die Frau begriff sofort seine Schwierigkeiten und überbrückte die Spannung: »Was machste denn so?« Gudrun Ensslin wirkte auf ihn ungewöhnlich gelassen. Baader dagegen war nervös. Sobald draußen auf der Straße ein Auto vorbeifuhr, sprang er ans Fenster, blickte hinaus. Er rauchte eine »Gitanes« nach der anderen und stopfte ununterbrochen Kekse in sich hinein. Gudrun Ensslins Waffe hatte eine silbrige Farbe. Weil er so etwas noch nicht gesehen hatte, fragte Konieczny: »Du, was ist das für eine?«
»’ne Achtunddreißiger«, antwortete Ensslin.
»Das gibt’s doch nicht, in Silber.«
Da mischte sich Baader ein: »Ja, die Fotzen haben alle was Silbriges oder was Glänziges.«
Konieczny erklärte, als gelernter Drucker alles machen zu können: Führerscheine, Pässe, Kraftfahrzeugscheine. Er brauche nur das Original dazu, alles andere würde er sich beschaffen. Ensslin sagte: »Nächste Woche ruft dich jemand unter dem Namen Gerda an.« Er gab ihr die Telefonnummer seiner Firma.
Gudrun Ensslin hatte es verstanden, sofort ein sehr
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