Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Halbdunkel konnte der Kriminalhauptmeister Pfeiffer die beiden Männer erkennen. »Teilweise haben sie uns angelacht oder ausgelacht«, erinnerte er sich später. »Sie haben Zigaretten geraucht und hin und wieder ihre Pistolen in unsere Richtung gehalten.«
Durch die Löcher in der Rückwand wurden Tränengaskörper in die Garage geworfen. Scheicher forderte die beiden über Lautsprecher auf, ihre Waffen auf den Hof zu werfen, ihre Oberbekleidung auszuziehen und mit erhobenen Händen die Garage zu verlassen.
»Werfen Sie die Pistolen in den Hof oder andere Waffen, nehmen Sie die Hände hoch und kommen Sie einzeln heraus. Dann passiert Ihnen nichts. Wir haben mehr Geduld als Sie. Viel mehr. Und wir sind in der besseren Situation. Desto stärker werden unsere Kräfte. Sie kommen, und sie sind jetzt schon so stark, daß Sie keine Chance mehr haben. Kommen Sie doch heraus, was wollen Sie denn da drinnen?«
Baader und Meins stießen einen Türflügel gegen den Audi. Die Polizisten hatten den Eindruck, sie wollten sich ergeben, und zogen mit einem Seil den Wagen zurück. Daraufhin wurde die Garagentür von innen etwas weiter geöffnet, damit das Tränengas abziehen konnte. Baader schleuderte rauchende Tränengasgranaten zurück. Er stand vorn rechts in der Garage, lehnte sich an den dort parkenden silbermetallfarbenen Sportwagen »Iso Rivolta«, einen Revolver in der linken und eine Zigarette in der rechten Hand. Holger Meins lag links neben dem Wagen hinter einer Gasflasche in Deckung und hatte seine Pistole nach draußen gerichtet.
Gegen 7 . 45 Uhr wurde ein mit vier Beamten besetzter Panzerwagen eingesetzt. Mit ihm sollten die beiden Flügel der Garagentür zugedrückt werden, damit das Tränengas besser wirken konnte. Es gelang jedoch nur, den rechten Türflügel zu schließen.
»Geben Sie auf, jeder Widerstand ist zwecklos«, tönte es aus dem Polizeilautsprecher. Als die beiden Eingeschlossenen die Garage immer noch nicht verließen, wurden neue Tränengasgranaten aus Leuchtpistolen in den Unterschlupf geschossen. Der Polizeibeamte Stumpf und sein Kollege Brandau feuerten abwechselnd ihre Tränengasgranaten ab. Sie konnten den blonden Mann erkennen, der den Arm hob und die Polizeibeamten über seine Pistole anvisierte. »Paß auf, der schießt«, rief Brandau. Ein Schuß fiel, dann noch einer, und die beiden Polizeibeamten warfen sich in Deckung. Der Wind trieb den Beamten das Tränengas in die Augen, und sie zogen sich weiter zurück. Der Panzerwagen machte einen neuen Vorstoß, fuhr auf die Garage zu und drückte die Tür ein.
Der Kriminalhauptmeister Bernhard Honke hatte sich gegen 7 . 00 Uhr an den Einsatzort begeben. Das Gebiet um den Hofeckweg war schon abgesperrt. Er ließ sich von den Kollegen über die Lage informieren. Eine Frau aus dem dritten Stock des gegenüber der Garage liegenden Mietshauses rief ihm zu, aus ihrem Fenster könne man den Hof und die Garageneinfahrt beobachten. Der Beamte ging in die Wohnung und konnte von dort aus den blonden Mann, Baader, sehen.
Langsam wurde die Polizeikette enger um die Garage gezogen. Kriminalhauptmeister Honke verließ seinen Beobachtungsposten im dritten Stock und fragte bei der Einsatzleitung, ob man ihm ein Gewehr mit Zielfernrohr besorgen könne. Nach wenigen Minuten wurde ihm die Waffe übergeben, und er ging zurück ans Fenster im dritten Stock.
Durch das Zielfernrohr visierte er Baaders Oberschenkel an und schoß. Baader fiel und schrie. Wieder wurden die beiden durch Lautsprecher aufgefordert, sich zu ergeben und die Waffen herauszuwerfen. Holger Meins verließ mit erhobenen Händen die Garage. Er wurde aufgefordert stehenzubleiben, sich bis auf die Unterhose auszuziehen und zum Ausgang des Hofes zu kommen.
Das Fernsehen filmte mit. Die Bilder des mageren, fast nackten Holger Meins gingen um die Welt.
Und manche aus dem Umfeld der RAF -Sympathisanten fühlten sich an Bilder aus Konzentrationslagern erinnert.
Der Mythos von den gnadenlos verfolgten RAF -Kämpfern war geboren.
Kriminalhauptmeister Honke meldete sich bei der Einsatzleitung und sagte, er sei der Schütze gewesen. »Gibt es noch irgendwelche Einsätze? Werde ich noch gebraucht?« – »Nein.«
Honke setzte sich in sein Auto und fuhr nach Hause.
Der Polizeibeamte Reinhold Stumpf nahm Holger Meins in den Polizeigriff und brachte ihn zum Überfallwagen.
»Was ist mit der zweiten Person?« fragte er.
»Der ist verreckt«, antwortete Holger Meins.
Stumpf und zwei weitere
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