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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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herausgerissenen Fenster lag ein Körper, der sich noch bewegte. Die Kleider waren von der Druckwelle fortgerissen worden. Der Ambulanzfahrer hielt den Kopf des Mannes hoch.
    Als der Wagen das Tor erreichte, sagte ein Offizier: »Fahr langsam, es hat keine Eile, der Mann ist gestorben.« Nachdem die Sanitäter den Toten im Krankenhaus abgeliefert hatten, fuhren sie wieder zurück.
    In der Zwischenzeit war ein zweites Bombenopfer gefunden worden. Es lag neben einer eingestürzten Mauer. Ein schwerer Coca-Cola-Automat hatte den Soldaten unter sich begraben. Nur einer seiner Füße war zu sehen. Der Getränkeautomat wurde beiseite gehievt, doch für den Mann kam jede Hilfe zu spät.
    Das dritte Opfer war zerrissen worden. Sein Oberkörper lag noch da. Der Sanitäter sah Leichenfetzen in den Lindenbäumen neben dem Explosionsort und verbrannte Fußsohlen auf dem Boden. Die Sanitäter nahmen einen Kopfkissenbezug und sammelten die Überreste ein.
    Auf dem Parkplatz, wo ein zweiter Sprengkörper explodiert war, wurden weitere Verletzte versorgt. Ein Offizier sah aus wie skalpiert, Kopfhaut und Haare waren abgerissen.
    Der LKA -Beamte Günter Textor wurde zum Tatort gerufen. »Das war eine ganz schlimme Geschichte. So hatte ich das im Frieden nicht mehr erlebt, also daß Menschen so zerfetzt wurden von einem Bombenanschlag.«
     
    Insgesamt waren bei diesem Anschlag drei amerikanische Soldaten getötet worden, Clyde Bonner, Ronald Woodward und Charles Peck. Fünf weitere GI s waren verletzt.
    Auch das »Bekennerschreiben« zu diesem Anschlag war auf der später in Hamburg gefundenen Maschine geschrieben worden: »Die Menschen in der Bundesrepublik unterstützten die Sicherungskräfte bei der Fahndung nach den Bombenattentätern nicht, weil sie mit den Verbrechen des amerikanischen Imperialismus und ihrer Billigung durch die herrschende Klasse hier nichts zu tun haben wollen; weil sie Auschwitz, Dresden und Hamburg nicht vergessen haben; weil sie wissen, daß gegen die Massenmörder von Vietnam Bombenanschläge gerechtfertigt sind; weil sie die Erfahrung gemacht haben, daß Demonstrationen und Worte gegen die Verbrecher des Imperialismus nichts nützen.«
    Der Text stammte allem Anschein nach von Ulrike Meinhof.

45. »Aktion Wasserschlag«
    Fünf Tage nach dem Anschlag von Heidelberg rief der Präsident des Bundeskriminalamtes die Leiter der Sonderkommissionen der Länder und Vertreter des Bundesgrenzschutzes zusammen und informierte sie über einen Plan. Am übernächsten Tag sollte bundesweit eine Fahndungsaktion laufen, wie sie die Republik noch nicht erlebt hatte. Die gesamte Schutzpolizei sollte für einen Tag praktisch unter dem Oberbefehl des BKA stehen. Herold hatte sich von Genscher grünes Licht dafür geben lassen. Der Bundesinnenminister meinte nur: »Machen Sie’s so, wenn das notwendig ist. Wenn wir nicht weiterkommen, wollen wir doch mal sehen, wer uns da die Gefolgschaft aufkündigt.«
    Herold stellte die obersten Polizeiführer der Länder vor vollendete Tatsachen: »Bitte informieren Sie Ihre Minister.« Es gab ein paar empörte Anrufe, aber schließlich machten alle mit.
     
    Am 31 . Mai 1972 wurden alle Hubschrauber, die im öffentlichen Dienst der Bundesrepublik verfügbar waren, in die Luft gebracht. Sie nahmen jeweils eine Gruppe von Polizeibeamten auf, flogen die Autobahnen ab und landeten für kurze Zeit an Auf- oder Abfahrten. Dort wurden Straßensperren errichtet, alle Fahrzeuge gestoppt und die Fahrer überprüft. Anschließend sprangen die Beamten wieder in ihre Helikopter, flogen ein Stück weiter und errichteten eine neue Sperre. Auf diese Weise, so Herold, wurde die Bundesrepublik »richtig durchgeklopft«.
    Es gab ein totales Verkehrschaos, aber die verunsicherten Bürger zeigten Verständnis. Es war nicht so, wie die RAF in ihrem Bekennerschreiben vorausgesagt hatte: »Die Menschen in der Bundesrepublik unterstützen die Sicherungskräfte bei der Fahndung nach den Bombenattentätern nicht …«
    »Ich habe nie wieder einen so hohen Grad an Identifikation zwischen Bürger und Polizei erlebt wie an diesem Tag«, erinnerte sich Herold später. »Ich bin selbst mit dem Hubschrauber die Strecken abgeflogen, und wir begegneten eigentlich überall nur winkenden Autofahrern. Man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, wie tief der Schock über die Attentate gesessen hatte. Unsere Aktion hatte das erklärte Ziel, durch einen Schlag ins Wasser die Fische mal richtig in Bewegung zu bringen. Das

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