Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Kollegen zogen sich wieder ihre Panzerwesten an und liefen auf die Garage zu. Dort fanden sie Andreas Baader. Er lag auf der Seite und schrie. Mit der linken Hand hielt er immer noch seine Pistole umklammert. Einer der Polizisten trat ihm die Waffe aus der Hand. Dann wurde Baader aus der Garage gezogen, auf eine Trage gelegt und zum Notarztwagen gebracht. »Ihr Schweine, ihr Scheißbullen«, rief er.
47. Sieger und Besiegte
Der BKA -Beamte Alfred Klaus hielt sich bei der Sicherungsgruppe Bonn auf, als er die Nachricht von der Festnahme in Frankfurt erhielt. Baader, so wurde ihm mitgeteilt, sei verletzt und solle ins Haftkrankenhaus nach Düsseldorf verlegt werden. Klaus informierte die Flugbereitschaft des Bundesgrenzschutzes, um einen Hubschrauber für den Transport zu organisieren. Der zuständige BGS -Oberst wollte es sich nicht nehmen lassen, den Bandenboß höchstpersönlich zu fliegen. Mit einigen Bedenken willigte Klaus ein.
Sie flogen mit dem Helikopter nach Frankfurt, wo Baader in der Universitätsklinik Erste Hilfe bekommen hatte. Der Gewehrschuß hatte seinen Oberschenkel zertrümmert, Baader weigerte sich, narkotisiert zu werden. »Ihr wollt mich nur aushorchen«, sagte er, als Alfred Klaus bei ihm auftauchte und ihn fragte, warum er sich keine Narkose geben lassen wollte. »Das ist doch albern«, sagte der BKA -Beamte. »Machen Sie mal eine Vernehmung in Narkose.« Er bestellte Andreas Baader einen Gruß von dessen Großmutter, die er vor einiger Zeit besucht hatte. »Soll ich ihr etwas ausrichten?« Aber Baader sah Klaus nur verständnislos an.
Nach langem Zureden durch die Ärzte war Baader mit einer Narkose einverstanden. Sein Bein wurde in Gips gelegt, man packte ihn auf eine Trage und brachte ihn durch einen unterirdischen Gang zum Notarztwagen. Draußen wimmelte es von Pressefotografen, die sich zum Teil als Ärzte verkleidet hatten, um Bilder des gefangenen Terroristenchefs zu schießen.
Von einem Sportplatz aus startete der Grenzhubschrauber und flog am Rhein entlang Richtung Düsseldorf. Alfred Klaus hatte neben dem Piloten Platz genommen, sich die Kopfhörer aufgesetzt, um den Funkverkehr zu verfolgen. Nun ist’s geschafft, dachte er. Wir haben also den Krieg, den die gegen uns angezettelt haben, im wesentlichen gewonnen. Er blickte auf den Rhein unter sich, der Drachenfelsen flog vorbei. Klaus war besinnlicher Stimmung. In Düsseldorf lieferte er Baader beim Arzt der Haftklinik ab, einem Ausländer, der Angst hatte, ihm könne etwas geschehen, wenn er einen Terroristen im Gefängnis ärztlich versorgte. Baader war aus seiner Narkose aufgewacht und verlangte nach Zeitungen.
Am Abend fuhr der BKA -Beamte mit der Bahn zurück nach Bonn. Im Nobelrestaurant »Maternus« genehmigte er sich ein Steak und einen Schoppen Rotwein. Anschließend ging er noch auf einen Sprung ins Dienstgebäude der Sicherungsgruppe. Bundesinnenminister Genscher war dort, zusammen mit Helmut Kohl. Sie brannten darauf, von Klaus über die Vorgänge um die Verhaftung Andreas Baaders unterrichtet zu werden.
Wilhelm Meins, Holgers Vater, hatte die Verhaftung seines Sohnes im Fernsehen verfolgt. Dreißig Stunden später erhielt er eine Besuchserlaubnis. Holger sei im Krankenhaus. Wilhelm Meins wunderte sich darüber. Im Fernsehen hatte er seinen Sohn nackt bis auf die Unterhose gesehen, ohne Verletzungen.
Das Krankenhaus war abgesichert wie eine Festung, das Zimmer, in dem Holger Meins lag, weiß, ordentlich und geräumig. Holger Meins hatte die Bettdecke bis zum Kinn hochgezogen. Der Vater ging auf seinen Sohn zu und wollte ihn umarmen. Zwei Beamte rissen ihn zurück.
»Weshalb liegst du hier im Krankenhaus?« fragte er.
Sein Sohn gab ausweichende Antworten, sah nur auf die Bettdecke. Wilhelm Meins zog ihm die Decke beiseite, bevor die Bewacher eingreifen konnten.
»Und da sah ich einen Menschen liegen, der nur voller Blutergüsse, Prellstellen und Schlagstellen von hier oben bis übers Becken hinweg war«, erklärte Wilhelm Meins später in einem Filminterview.
»Um Gottes willen, was haben sie mit dir gemacht?« fragte der Vater.
Einer der Beamten schritt ein: »Sprechzeit zu Ende!«
»Ich denke überhaupt nicht daran. Ich will jetzt genau wissen, was los ist.«
Der Beamte verließ das Krankenzimmer und holte einen Vorgesetzten. Wilhelm Meins nutzte die knappe Zeitspanne aus: »Nun erzähl mal, du bist ja krankenhausreif geschlagen worden.«
»Ich kann dir genau den Sachverhalt sagen«, meinte Holger
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