Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
Vom Netzwerk:
Frau Buddenberg immer wieder. Sie blutete aus mehreren Wunden: Verletzungen am linken Unterschenkel, Splitter im rechten Bein und im rechten Arm.
     
    Am 19 . Mai 1972 gegen 15 . 30 Uhr erhielt eine Telefonistin im Hamburger Springer-Hochhaus an der Kaiser-Wilhelm-Straße einen Anruf: »In fünf Minuten geht bei Ihnen eine Bombe hoch.«
    Die Frau nahm das nicht so ernst. Anrufe dieser Art waren in der Zentrale des Axel Springer Verlages keine Seltenheit. Sie ließ sich mit dem Anrufer auf ein Gespräch ein. »Ihr Schweine, ihr nehmt aber auch gar nichts ernst«, sagte der Mann und legte auf.
    In Ruhe nahm die Telefonistin noch ein paar andere Gespräche entgegen und benachrichtigte dann die Verwaltung des Springer-Hauses über die Bombendrohung. Inzwischen war ein zweiter Anruf gekommen. Eine Kollegin hatte ihn entgegengenommen. Wieder war es eine männliche Stimme, wenn auch ziemlich hoch, die sagte: »In fünf Minuten geht bei Ihnen eine Bombe hoch.« Der Anrufer verlangte wütend: »Räumt sofort das Haus.«
    »Ist das wieder der Verrückte?« fragte die Kollegin vom Nebenplatz. Die Telefonistin nickte. Der Anrufer sagte: »Ihr verdammten Schweine!« Dann legte er auf.
    Die Telefonistinnen hatten gerade jemanden von der Verwaltung am Apparat, als es einen furchtbaren Knall gab. Eine Bombe war explodiert. Unmittelbar darauf klingelte erneut das Telefon, diesmal war es ein Ferngespräch. »Ist bei Ihnen eben eine Bombe hochgegangen?« fragte eine Frau. »Ja«, antwortete die Telefonistin. Dann klickte es in der Leitung.
     
    Der erste Sprengkörper war im Korrektursaal des Springer-Hauses explodiert. Fünfzehn Korrektoren saßen dort über ihrer Arbeit. Die meisten von ihnen erlitten Verletzungen. Kurz darauf detonierten zwei weitere Bomben. Sie waren in den Toiletten versteckt.
    Einer der verletzten Korrektoren erklärte später im Stammheimer Prozeß: »Wir wußten zwar, daß das Springer-Hochhaus oft belagert wurde von Studenten und daß man uns auch mal hinderte, an die Arbeit zu gehen. Aber daß man uns direkt angreifen würde, indem man uns eine Bombe hinlegt, da haben wir wirklich nicht mit gerechnet, keiner von uns.«
    Ein Springer-Redakteur machte die Aussage: »Ich wunderte mich nur, daß man eigentlich, wenn man das Haus Springer treffen wollte, ausgerechnet bei den Korrektoren getroffen hat, wo Menschen sind, deren Gesinnung ein kleines bißchen mehr links von der Mitte ist. Es gibt, glaube ich, lohnenswertere Ziele, wenn man nur die Sache treffen wollte. Wenn man das Rechenzentrum ausgesucht hätte, das hätte einen größeren Schaden für das Haus ergeben.«
    Insgesamt wurden siebzehn Personen, zwei davon schwer, verletzt.
    Am Tag darauf meldete sich wieder ein anonymer Anrufer: »Es liegen noch mehr Bomben im Haus. Die Polizisten sind alle Trottel, die suchen an der falschen Stelle.« Tatsächlich fand die Polizei noch drei weitere Sprengkörper im Verlagsgebäude: einen neben der Rotation, einen in der Direktion und einen in einem Putzmittelschrank. Die Bomben konnten entschärft werden.
    Drei Tage nach diesem Anschlag gingen »Bekennerschreiben« bei dpa, UPI , der »Süddeutschen Zeitung« und bei »Bild« ein, unterschrieben mit »Kommando 2 . Juni«. Sie waren auf einer Maschine getippt, die die Polizei später in einer Hamburger Wohnung fand: »Springer ging lieber das Risiko ein, daß seine Arbeiter und Angestellten durch Bomben verletzt werden, als das Risiko, ein paar Stunden Arbeitszeit, also Profit, durch Fehlalarm zu verlieren. Für die Kapitalisten ist der Profit alles, sind die Menschen, die ihn schaffen, ein Dreck. – Wir sind zutiefst betroffen darüber, daß Arbeiter und Angestellte verletzt worden sind.«
     
    Am 24 . Mai um 18 . 10 Uhr detonierten im Abstand von fünfzehn Sekunden vor dem Kasernenblock  28 und dem Casino des Europa-Hauptquartiers der US -Armee in Heidelberg zwei in Autos deponierte Bomben. Im Bereitschaftsraum des amerikanischen Hospitals hatte ein deutscher Ambulanzfahrer die Explosion gehört. Kurz darauf läutete das Telefon. Er wurde zum Haupttor befohlen und von dort aus sofort zur Computerstation am Ende des Hauptquartiers weitergeschickt.
    Das Gelände war von Trümmern übersät. Der Sanitäter und seine Kollegen fragten Militärpolizisten: »Was ist los?« Sie zuckten mit den Schultern: »Was soll schon los sein? Eine Detonation.«
    Unter umgestürzten Mauerteilen, Holzbalken und Glassplittern suchten Sanitäter und Soldaten nach Verletzten. Vor einem

Weitere Kostenlose Bücher