Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Ensslin, Ulrike Meinhof und Carmen Roll verstärkte die Spannungen unter den Frauen.
Gudrun Ensslin beschwerte sich bei Baader: »Ulrike, willst Du wissen … Wirklich finster: ein Vampir, zitternd vor Blutgier.« Und weiter: »Ulrikes zweimaliges Gelächter während der Arbeit noch: nekrophil, hysterisch, wirklich absolut häßlich und eindeutig … gegen mich. Obwohl ich immer noch sage, erst recht sage: im Grunde nicht gegen mich, sondern gegen Dich. Aber das ist es eben: deshalb wirklich auch gegen mich, weil gegen die Revolution …«
So war das also: »Gegen« Gudrun Ensslin bedeutete »gegen« Baader. »Gegen« Baader bedeutete »gegen« die Revolution. »Gegen die Revolution« bedeutete »gegen Gudrun Ensslin«.
An Ulrike Meinhof schrieb sie: »Du machst den Bullen die Tür auf – das Messer im Rücken der RAF bist Du, weil Du nicht lernst …«
Baader schrieb an Gudrun Ensslin: »Wirklich, ich verstehe es nicht: Also ich kann das Problem nicht sehen, das Dich in jedem Brief so total beschäftigt: Diese wirren Schlachten mit ihr um weiß der Teufel was inzwischen. Wirklich zwei groteske Irre …«
Das einzige, was in dieser Situation anscheinend Bestand hatte, war die Beziehung Ensslins zu Baader. In ein paar der wenigen persönlichen Zeilen, die BKA -Beamte bei den Zellenrazzien fanden, standen Gudrun Ensslins Worte:
»Und daß ich Dir jetzt ’n irre schönes Buch schreiben könnte, Kind Kreuze weiße Wand und schwarzes Kreppkleid, ›ich hatt einen Kameraden‹ und so weiter, das ist ja klar …« Und an anderer Stelle: »Nichts hatte ich begriffen. Was Du da, vor ’n paar Monaten, gesehen hast und ich auch natürlich –
Verrat, ja, und mehr:
es ist auch der Weg …
zu lieben und zu ficken: Politik …«
Andreas Baader seinerseits griff auch Gudrun Ensslin an, wenn er an die »Zofen«, die Frauen nebenan im Hochsicherheitstrakt von Stammheim, schrieb. Hauptziel seiner »Kritik« war aber immer wieder Ulrike Meinhof:
»Ihr seid wirklich die Pest, die Zofen …
Und was da ringt, ist natürlich das Schwein.
Das muß einfach nicht mehr erklärt werden; es ist in jedem Schritt, jedem Versuch von Ulrike drin, und Verrat ist dafür nur ein Wort …«
Und weiter an die Adresse Ulrike Meinhofs:
»Also Haß – mach Dir doch nichts vor: Du haßt uns – dafür gibt es einen Sack Signale, der dann natürlich einfach so lässig in den bestimmenden Momenten Passivität, Sich-Entziehen, ’ne kaputte Grammatik, kaputte Inhalte, Zerstörung, Mißverständnisse produziert usw. Das Problem ist, daß Du/Ihr als die fürchterlich desorientierten Schweine, die Ihr seid, inzwischen eine Belastung geworden seid. Wie, was Ihr Selbstkritik nennt, mit der ich nichts zu tun haben will, und daß ich es muß, glaub lieber nicht. Ihr seid es, die uns fertig machen – was die Justiz nie könnte …
Was aber soll das Ganze noch?
Wie es jetzt ist, hab ich Dir nichts mitzuteilen. Also halt die Fresse, bis Du was verändert hast, oder geh endlich zum Teufel …«
Gegen Ende des Hungerstreiks formulierte Gudrun Ensslin eine neue Idee, die sie erst einmal dem RAF -»Stab« vorschlagen wollte:
»Hab den Einfall, den ich erst mal erstens dir, Kutscher [Baader], zweitens Ulrike und Jan vorbringe. Einfall nur insofern, als wir den Hungerstreik anders machen können.
Wir können sagen: jede dritte Woche (oder egal zweite oder vierte) wird sich einer von uns töten, so lange, bis die Isolation für alle aufgehoben ist …«
20. Sartre in Stammheim
Für den Hungerstreik wurde Öffentlichkeit gebraucht, Weltöffentlichkeit. Noch im Oktober hatte Ulrike Meinhof eine Einladung an Jean-Paul Sartre formuliert:
»Sartre,
wir wissen, daß Du krank bist … aber wir sind der Meinung, daß das, was wir von Dir wollen, an Dringlichkeit alles andere übertrifft …
Wir kämpfen mit diesem Hungerstreik gegen unsere Vernichtung in den Gefängnissen durch Sonderbehandlung, durch Isolation …
Was wir von Dir wollen ist, daß Du im Zusammenhang mit diesem Hungerstreik, also jetzt – ein Interview mit Andreas Baader machst.
Weil die Bullen – … beabsichtigen, Andreas zu ermorden …
Um das Interview zu machen, ist es nicht notwendig, daß Du uns in allem zustimmst, was wir von Dir wollen ist, daß Du uns den Schutz Deines Namens gibst und Deine Fähigkeit als Marxist, Philosoph, Journalist, Moralist für das Interview einsetzt, um uns die Möglichkeit zu geben, dadurch bestimmte politische Inhalte für
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